DAS FRÄULEIN

Einem Mann in Latzfons träumte öfters, er solle auf die Alm gehen. Er sagte es endlich dem Beichtvater, und dieser hieß ihn, dem Traume zu folgen. Er gehorchte und ging. Als er beinahe droben war, da stand plötzlich ein schwarzer Hund vor ihm, der drei Schlüssel im Maul trug, einen goldenen, einen silbernen und einen eisernen.

Der Hund führte den Mann zu einem eisernen Tor und gab ihm den eisernen Schlüssel, der öffnete. Beide gingen dann durch einen langen Gang und kamen vor ein silbernes Tor. Der Hund reichte ihm dort den silbernen Schlüssel, womit der Mann es öffnete.

Schließlich kamen sie zu einem goldenen Tor, das mit dem goldenen Schlüssel aufgemacht wurde, und in einen hellichten, prächtigen Saal, der von Gold und Edelsteinen glänzte, Darin saß ein wunderschönes Fräulein, das gar traurig schien.

Sie sagte, er könne wählen, was er wolle. Da nahm er eine goldene Sperrkette. Wie dies das Fräulein sah, fing es zu weinen an und sprach: "Hättest du mich gewählt, so wäre ich erlöst, und all diese Schätze hättest du bekommen; nun aber muß ich noch hundert Jahre hier gebannt sein." Da rumpelte und donnerte es, als ob der letzte Tag einbräche, und der Mann floh wie besessen. Die goldene Sperrkette konnte er mitnehmen. Später suchte er oft das eiserne Tor auf, konnte es aber nie mehr finden. (Latzfons.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 527, S. 298