Reiterjoch / Eggental

Es ist wohl tausend Jahre oder drüber her, da war im Reiterjoch ein Bergwerk, und die Erzstufen nahmen kein Ende. Gehämmert und gebohrt ward da manchen Tag, und die Knappen erfreuten sich gewaltigen Reichtums. Sie aßen aus güldenen Schüsseln und tranken aus güldenen Pokalen. Seither ist eine lange Zeit vorüber gegangen, das Heidentum hat dem Christentum Platz gemacht, das Gold liegt geblendet, und die Bergknappen sind von dannen gewandert. Die Hirtenbuben, die da emporklettern, das Edelweiß abzubrocken, stoßen manchmal in den Berglöchern auf uralt Handgezeug, so die Knappschaft zurückgelassen: auf Steinkrüge, Hämmer, Bohreisen, eiserne Nägel und anderes. Und die Leute wissen noch zu erzählen, daß hoch oben in der Knappenstube, einem weithin sichtbaren Loch, ein goldenes Kegelspiel verborgen liege. Wer in der rechten Nacht darnach aus wäre, könnt's gewinnen. Und eine Goldader geht von der Knappenstube aus und den Berg herab und durch den Karer Wald, das ist ein Funkeln und Glitzern, wenn die Ader blüht, und das geschieht in der Sonnwendnacht um Johannis. Schon viele sind dem Gefunkel nachgegangen und hätten gern gewußt, wo sie anfangen müßten zu graben, aber auf einmal verliert sich der Glanz und zieht sich in den Erdboden hinein. Da hört die Ader auf, und die Goldsucher gingen traurig von dannen.

nach Heyl/Tirol 1897 Nr. 62 S. 382 (Gewährsperson: Lucknmüller in Eggen) - Heilfurth L 5 Be 6 S. 898.
Aus: Gerhard Heilfurth, Südtiroler Sagen aus der Welt des Bergbaus, An der Etsch und im Gebirge, 25. Bändchen, Brixen 1968, Nr. 33, S. 33