Der Dom zu Köln
        
        Als der Bau des Doms zu Köln begann, wollte 
        man gerade auch eine Wasserleitung ausführen. Da vermaß sich 
        der Baumeister und sprach: »Eher soll das große Münster 
        vollendet sein als der geringe Wasserbau!« Das sprach er, weil er 
        allein wußte, wo zu diesem die Quelle sprang und er das Geheimnis 
        niemanden als seiner Frau entdeckt, ihr aber zugleich bei Leib und Leben 
        geboten hatte, es wohl zu bewahren. Der Bau des Doms fing an und hatte 
        guten Fortgang, aber die Wasserleitung konnte nicht angefangen werden, 
        weil der Meister vergeblich die Quelle suchte. Als dessen Frau nun sah, 
        wie er sich darüber grämte, versprach sie ihm Hilfe, ging zu 
        der Frau des andern Baumeisters und lockte ihr durch List endlich das 
        Geheimnis heraus, wonach die Quelle gerade unter dem Turm des Münsters 
        sprang; ja, jene bezeichnete selbst den Stein, der sie zudeckte. Nun war 
        ihrem Manne geholfen; folgenden Tags ging er zu dem Stein, klopfte darauf, 
        und sogleich drang das Wasser hervor. Als der Baumeister sein Geheimnis 
        verraten sah und mit seinem stolzen Versprechen zuschanden werden mußte, 
        weil die Wasserleitung ohne Zweifel nun in kurzer Zeit zustande kam, verfluchte 
        er zornig den Bau, daß er nimmermehr sollte vollendet werden, und 
        starb darauf vor Traurigkeit. Hat man fortbauen wollen, so war, was an 
        einem Tag zusammengebracht und aufgemauert stand, am andern Morgen eingefallen, 
        und wenn es noch so gut eingefügt war und aufs festeste haftete, 
        also daß von nun an kein einziger Stein mehr hinzugekommen ist. 
        
		 
      
      Andere erzählen abweichend. Der Teufel war neidig auf das stolze und heilige Werk, das Herr Gerhard, der Baumeister, erfunden und begonnen hatte. Um doch nicht ganz leer dabei auszugehen oder gar die Vollendung des Doms noch zu verhindern, ging er mit Herrn Gerhard die Wette ein: er wolle eher einen Bach von Trier nach Köln, bis an den Dom, geleitet als Herr Gerhard seinen Bau vollendet haben, doch müsse ihm, wenn er gewänne, des Meisters Seele zugehören. Herr Gerhard war nicht säumig, aber der Teufel kann teufelsschnell arbeiten. Eines Tags stieg der Meister auf den Turm, der schon so hoch war, als er noch heutzutag ist, und das erste, was er von oben herab gewahrte, waren Enten, die schnatternd von dem Bach, den der Teufel herbeigeleitet hatte, aufflogen. Da sprach der Meister in grimmem Zorn: »Zwar hast du, Teufel, mich gewonnen, doch sollst du mich nicht lebendig haben!« So sprach er und stürzte sich Hals über Kopf den Turm herunter, in Gestalt eines Hundes sprang schnell der Teufel hintennach, wie beides in Stein gehauen noch wirklich am Turme zu schauen ist. Auch soll, wenn man sich mit dem Ohr auf die Erde legt, noch heute der Bach zu hören sein, wie er unter dem Dome wegfließt.
Endlich hat man eine dritte Sage, welche den Teufel mit des Meisters Frau Buhlschaft treiben läßt, wodurch er vermutlich, wie in der ersten, hinter das Baugeheimnis ihres Mannes kam.
Kommentar: Mündliche Erzählungen aus 
        der Stadt.
        Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), 
        Kassel 1816/18, Nr. 204