3. Der Vogel Gkión. (Aráchoba.)

Es waren einmal zwei Brüder, und der eine von ihnen war Hüter in den Weinbergen. Zu diesem sagte einst der andere, welcher Antonis hiess: 'Heut' Abend komm' ich und stehle dir Trauben.' Da entgegnete jener: 'Komm nur, ich erschiesse dich.' Am Abend kam Antonis wirklich und versuchte Weintrauben zu stehlen. Sein Bruder schoss, nur um ihn zu erschrecken, traf ihn jedoch wider Willen; und als er näher kam, fand er ihn in seinem Blute. Da bat er Gott in seinem Schmerz, er möge ihn in einen Vogel verwandeln, auf dass er ewig seinen Bruder beweine. Gott erhörte ihn und verwandelte ihn in den Vogel Gkión. Seitdem klagt er um seinen Bruder Antonis und ruft in einem fort: 'Nton, Nton!', und nicht eher hört er zu klagen auf, als bis ihm Blut aus dem Schnabel fliesst. Das ist ihm ein Zeichen, dass der getödtete Bruder sein Blut als Sühne entgegennimmt, und so gewinnt dann endlich der Vogel, halb todt vor Erschöpfung, Ruhe.

Quelle: Bernhard Schmidt, Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder. Leipzig 1877. S. 132 - 133.
(Nachdruck: Hildesheim, New York, 1978)