DIE UNGLÜCKLICHE WETTE IN ZITTAU

Bei dem Bau der Kirche der heiligen Dreifaltigkeit zu Zittau hat unter den Maurern ein Lehrling mit seinem Meister um die Wette gearbeitet, um zu sehen, wer einen Pfeiler der Kirche eher als andere vollendet haben werde. Beide haben also zu gleicher Zeit angefangen und sich tapfer dazu gehalten, darnach aber ist der Lehrling mit seinem Pfeiler eine ziemliche Zeit eher als der Meister fertiggeworden, hat also die Wette vor dem letzteren gewonnen, was diesen dermaßen geärgert hat, daß er den Lehrling, ehe dieser es sich versehen, meuchlings ermordet hat. Zum Lohne dafür ist dem Maurermeister der Kopf mit dem Schwerte vor die Füße gelegt worden. Man bezeichnet noch heute zwei Pfeiler an der Westseite der Kirche mit nischenartigen Vertiefungen als die sogenannten Wettepfeiler.

Ebenso soll ein etwa 1 1/2 Ellen langes steinernes Kreuz von altertümlicher Form mit einem eingemeißelten Messer, das hinter dem ersten Pfeiler links vom Eingange in die Mauer eingefügt ist, das Gedächtnis an jenen Vorgang bewahren.


Kommentar: Gräße, Bd. II, Nr. 817, Moraweck, Einige Nachrichten über 100 Denksteine, wovon 32 Kreuzform haben, welche sich in Zittau und der Umgegend an Wegen und öffentlichen Plätzen finden. Zittau, 1854. 12. S. 8; poet. bei v. Segnitz, Bd. I, S. 216 ff. Vgl. auch die Überarbeitung der Sage bei Gräße, Bd. II, Nr. 824, nach Sachsengrün II. Jahrg. (1861) S. 22.

Quelle: Sagenbuch des Königreich Sachsens, Alfred Meiche, Leipzig 1903, Nr. 1149, S. 939