135. Rübezahl machet ein schnakisches Testament, stirbet darauf und lebet noch.
Rübezahl stirbt, Johannes Praetorius

Als in einer bekannten Stadt im Gebürge [Gebirge] Jahrmarkt gewesen, ist Rübezahl mit einem Schubkarrn, auf demselben einen Kasten habende, als ein anderer Krämer hinein kommen, in ein Wirtshaus gegangen, den Wirt umb ein eigen Kämmerchen angesprochen, damit seine Sachen vor allen Dieben möchten versichert sein. Wie er dieses von dem Wirt erlanget und schon auf ein anderthalb Tage darinnen gewesen, stellet er sich trefflich krank, heißet den Wirt und Wirtin zu sich kommen, reichet ihnen den Schlüssel zu seinem Kasten, den er mitgebracht, und befiehlet, die inliegenden Sachen alle zu beschauen, ob ein Schade darzu geschehen; da sie denn mit Verwunderung Geld, silberne Löffel, Becher und schöne seidene Ware gefunden. Als er nun stehet, daß es den beuten so wohl gefallen, spricht er, es wäre nun, allem menschlichen Ansehen nach, seine Todesstunde kommen, hätte auch weder Weib noch Kind noch andere Anverwandten, und wäre dies sein größter Kummer, wie er möchte ehrlich zur Erde bestattet werden. Drauf der Wirt geantwortet: Wenn Ihr mir von Euren Sachen etwas bescheidet, will ich Euch aufs Höchste (hiesigem Brauch nach) begraben lassen. Rübezahl befiehlet hierauf, die fünfzig Dukaten, so oben gelegen und gut Geld gewesen, herauszunehmen und sie zu seinem Begräbnüsse zu gebrauchen. Der Wirt hat kaum den Kasten wieder zugeschlossen, hebet Rübezahl einen Gall an zu speien, sperret das Maul auf und stirbet. Der Wirt, welcher nebenst der Frauen zwar anfänglich erschrocken, aber nachdem sie zum Bette getreten und gesehen, daß er recht verschieden, hat mit Ehestem, als er gekönnet, ihn begraben lassen, vorwendende, es wäre sein naher Freund gewesen. Wie nun alles verrichtet und der Sarg von den Totengräbern soll ins Grab gelassen und verscharret werden, hebet der Tote an zu singen:

So lasset mich nun hier schlafen.
Und gehet heim eure Straßen,
Wer weiß, ob ich nicht ehr aufsteh.
Als die mit mir zu Grabe gehn.

Wie dieses die Totengräber hören, laufen sie darvon, zeigen es dem Rate an, welcher den Sarg eröffnen lassen, darinnen ein groß stinkend Hundsaas gelegen, und wußte niemand, wie es hiemit zugegangen. Der Wirt denket nach verrichteter Leichbegängnüs einen großen Schatz zu finden, nimmt den Schlüssel, schleußt den Kasten auf: worinnen aber nichts als alte Hundsknochen und Säuborsten gelegen. Das heißt rechtschaffen betrogen!

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 123f
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