100. Rübezahl betrieget einen Pferdekäufer.

Etwan Anno 1631 hat es sich begeben, daß Rübezahl einen Roßtäuscher angetroffen, welcher übers Gebürge [Gebirge] zu wandern vorgehabt. Solchem beut er einen stattlichen Gaul zu verkaufen. Und als er die Bezahlung empfangen und der Käufer nun aufgesessen war und seinen Weg wiederumb an Heim reiten wollt, hat ihm der Rübezahl gewarnet und vermahnet, er soll's beileibe nicht eilends ins Wasser reiten; darob sich dann der Käufer verwunderte und desto begieriger ward, die Ursache zu erfahren, warumb doch nur der Roßtäuscher ihm verboten, das Pferd ins Wasser zu reiten, und darumb desto sehrer zum Wasser geeilet, den Gäulen zu tränken und zu schwemmen.

Rübezahl betrügt Pferdekäufer

Nachdem er aber mitten ins Wasser kommen, wird er gewahr, daß er auf einem Bündel Stroh sitze. Derowegen er dann in großem Zorn und Ungeduld wieder umkehret und seinen Vorkäufer, den betriegerischen Roßtäuscher, in seiner Herberge suchet. Der Roßtäuscher, als Rübezahl, wird gewahr, daß sein Käufer, den er so meisterlich betrogen hatte, herzukömmt und ihn suchen will, strecket sich derowegen die Länge lang auf die Bank und tät, als ob er schliefe. Der Käufer, als er in die Stuben kömmt und siehet seinen Verkäufer auf der Bank liegen und schlafen, ergreift er ihn bei einem Schenkel und zuckt ihn; indem er aber etwas desto sehrer und ungestümer rucket, daß er vom Schlaf soll aufwachen, hat er ihm den Schenkel, als ihm gebaucht, aus'm Hintern gerissen: dessen er dann gar sehr erschrocken, hat das Bein an die Erde geworfen und ist zur Stube hinausgelaufen, und hat Pferde und Geld fahren lassen und entbehren müssen. Hie ist aber zu merken, daß der Rübezahl auf seinem gedachten Berge eine Losierung präsentieret hat, wohinein er den andern Roßtäuscher geführet: welcher auch nicht anders gedacht, weil er unbekannt, als wie es eine rechte Behausung wäre, derentwegen er auch wiederumb dahin gegangen. Merke weiter, daß etliche diese Geschichte auch von D. Faust vorgegeben.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 98f
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