44. Rübezahl läßt sein Pferd halten.

Ein Bote von Liebenthal erzählete mir unter andern Schnadrigaken, daß seinem Vater wahrhaftig widerfahren sei, wie er über das Gebürge [Gebirge] gereiset, daß allda zu ihm in vollen Sporenstreiche der Rübezahl in eines Monsieurs Gestalt geritten kommen, abgestiegen und dem Reisenden befohlen habe, das Pferd zu halten; da er mit ernsthaftiger Stimme gesaget: Halte mir das Pferd! Auf die praetoriam vocem hat jener flugs Fuß gehalten und dem Befehl gemäß gelebet und das Pferd beim Ziegel gefasset: drüber ist der unerkannte Rübezahl davonmarschieret und, ich weiß nicht wohin, kommen. Mittlerweile hält auf einer Stelle der ertappte Reuterknecht das anvertraute Roß ohn Unterlaß und bemühet sich trefflich, es zu behalten: sintemal es durch zwo ganze Seigerstunden immer gekratzet und mit den Füßen gestampet, also, daß dem Hüter schier bange dabei geworden und seinem leib keinen Rat gewußt, wie ers enden oder weiter angreifen sollte: sintemal ihm seines eigenen Parts vonnöten gewesen, auf dem Wege fortzugehen und den Lauf zu vollbringen. Auf der andern Seite ist ihm der ernste Befehl auch immer im Kopfe gelegen gewesen, da der Caballier ihm feste eingebunden gehabt, das Pferd zu verwahren; darbei er denn auch endlich auf die Gedanken geraten ist, daß es ihm vielleicht übel ergehen möchte, wenn er das Gaul verwahrlosete und nicht wieder überantwortete, leichtlich gedenkende, es möchte ein Ränke darhinterstecken. Wie der Hüter mit diesen und dergleichen Gedanken sich also ängstet, siehe, da kömmt der Rübezahlische Caballier oder Cabbaltierische Rübezahl gleich hergegangen, sagende: Siehe, hälst du noch da? Drauf jener geantwortet: Ja, Herr, ich durfte ja nicht eher weggehen, als Ihr wiederkämet. Hierauf hat der Rübezahl den geworfenen Pferdemist aufgeraffet und in des Gehorsamenden Schiebesack geschüttet, und solches zwar an etlichen Händen voll, sprechende: Halt auf, halt auf, nimm hin und gehe flugs deiner Wege! Wer war hier froher gewesen, als der nunmehr erlösete und mit Dreck abgelohnete Pferdeknecht? Er hat seinen Kopf zwischen die Ohren und die Füße auf den Nacken genommen und war davongestrichen, nicht feirende, bis er etwa anderthalbe Meile förder geraten: da ihm erstlich sein Quark im Schiebesack verdrießlich vorgekommen; dannenhero er ein wenig stille gestanden und sich gesäubert oder den eingesackten Dreck weggeschüttet und hernach seines Weges förder gewandert ist, bis er zur begehrten Herberge eingekehret, da ihm übermal der besudelte Schubesack im Kopfe gelegen; dannenhero er ihn, wie vor geschehen, herausgezogen und besehen: und indem schüttet er einen Dukaten hervor, drüber er von Herzen froh wird, die angewandte Pferdesmühe wohl belohnet schätzet und des vermeineten Dreckes drüber vergisset; doch darneben auch den erst ausgeschütteten vermisset, bereuende, daß er den Kot nicht miteinander behalten, damit die Ausbeute desto reifer geworden wäre.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 41ff
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