84. Rübezahl vexieret einen Junkern.

Im Jahre 1532 hat einer von Adel, ein rechter Tyrann und Wüterich, einem seiner Untertanen oder Bauren auferlegt, er solle ihm eine überaus große Eiche ausm Walde mit seinen Pferden und Wagen heimführen, mit heftiger Betrauung höchster Strafe und Ungnade, da er solches nicht tun und solchen Befehl nicht nachkommen werde. Der Bauer sähe, daß es ihm unmüglich war, seines Junkern Befehl zu verrichten; ist mit Seufzen und großer Klag in den Wald gangen. Da kömmt zu ihm der Rübezahl in eines Menschen Gestalt und fragt, was die Ursache sei solches seines Herzeleids und Kümmernüs. Demselbigen erzählet der Bauer den ganzen Handel nacheinander. Der Rübezahl spricht, er soll guts Muts und unbekümmert sein, und nur wiederumb heim zu Hause gehen, denn er wohl die Eiche seinem Junkern oder Lehnherrn balde und ohne Verzug in seinen Hof führen wollte. Als nun der Bauer kaum recht heimkommen war, nimmt der Rübezahl die große ungeheure schwere Eiche samt ihren dicken und starken Ästen und wirft sie dem Edelmann für seinen Hof, und vermacht und versperret ihm mit dem Stamme und großen ungeheuren Ästen dermaßen das Tor, daß er weder aus noch ein hat kommen können. Und dieweil die Eiche härter als Stahl worden war, also, daß sie auf keinerlei Weise und Wege, auch mit ganzer Gewalt nicht, könnte zerhauen oder zerschlagen werden, hat der Edelmann aus unvermeidlicher Not an einem andern Orte im Hofe müssen durch die Mauren brechen und einen Tor nicht ohne große Beschwerung und Unkosten machen und zurichten lassen.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 80f
© digitale Version: www.SAGEN.at