6. Rübezahl siehet wie ein Hirsch aus.

Ein Sattlersgeselle erzählete mir in kurz abgewichenen Tagen, daß er in Schlesien von Hörensagen hätte vernommen, wie einsmals etliche Leute einen erschrecklichen großen Hirsch auf dem Riesengebürge gesehen hätten, hinter welchen ein ganz Koppel kleiner Hirschlein hergesprungen wäre. Alle miteinander aber sollen sie gülden Geweihe gehabt haben, das in klaren Sonnenscheine aus der Maßen geglänzet und große Verwunderung auf sich geladen hat. Wie nun solche Leute, die zugegen gewesen, die Vision gehabt, so war einer drunter gewesen, der ein fix Rohr gehabt, damit er unter das Vieh tapfer losgeschossen und, dem Augenscheine nach, ein Stücke soll gefället haben: darnach er auch hingelaufen, solches aufzuheben. Aber wie er zur rechten Stelle kömmt und das Hirschelein gleich bei dem Felle kriegen will, siehe, da verschwindet es für ihm, und erblicket hingegen an der Erde einen großen Beutel voll Geld, drinnen hundert Dukaten mit einem Hirschgepräge, eines Schlages, gestackt. Die er zu sich gesteckt und keinen Menschen was davon gesagt gehabt, ehe er vom Gebürge herunter geraten und an seinen gewünschten Ort geraten gewesen; da er sein großes Glück unterschiedlichen beigebracht.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 10
© digitale Version: www.SAGEN.at .