45. Rübezahl lässet einen Acker pflügen.

Wie der Rübezahl sonsten ingemein die Boten pfleget zu foppen, doch nicht betrieglicher, sondern vielmehr zuträglicher Weise: also hat er auch vor Jahren einem Briefträger getan. Nämlich wie dieser aufm Gebürge [Gebirge] gewesen, da war es ihm widerfahren, daß er unversehens und unwissens an den Rübezahl geraten, der daselbsten mit einem Pfluge geackert gehabt, vor dem Pfluge aber einen Esel, ein Pferd, einen Ochsen und einen großen Ziegenbock vorgespannet hat. Dieser kauderwelsche Ackermann hat alsbald den Boten angeredet und gesprochen: Ei Lieber, treibe mir doch ein wenig das Vieh einmal oder zwei das Stücke hinauf und pflüge doch ein wenig vor mir; du sollst es nicht umsonst tun! Ich muß aber notwendig in das nächste Dorf ein wenig hingehen; doch will ich nit lange verziehen, sondern bald wiederkehren. Item sammle mir in währenden Pflügen mit Fleiß alle Kieselsteine auf, so ferne du welche antriffst, und trage sie nur auf einen Ort zusammen! Was hätte der Bote tun wollen? Er hatte schon allbereit halb und halb gesehen, daß er gezwungen gewesen und so sich halten müsse. Derentwegen hat er sich nolens volens des Pfluges angemaßet, und nicht minder die gefundenen Steine gesammlet und allgemählich ein ziemlichen Haufen gemacht: bis endlich der gebietende Herr, der Rübezahl, wiedergekommen. Wie solches geschehen, da war jener abgedanket worden und hatte von Rübezahl dieses Bescheid erhalten, mit folgenden Worten: Nun nun, gar recht! Wie ich sehe, so hastu mir nach Willen gedienet und richtig abgewartet. Siehe da, hastu viel Steine gelesen, so magst« viel mit tragen. Und hiemit stecke mir alle Steine auf deinen Buckel und nimm auch ein wenig Erdreich vom Pflugschare mit; siehe, hie hastu einen Sack darzu! Was sollte der Bote abermal machen? Er mußte der gebietenden Stimme wiederumb gehorsamen; und schüttete alle anwesende und zusammengetragende Feuersteine in den beschenkten Beutel, legte ihn über seinen Buckel und marschierete eine Ecke mit davon. Aber wie er was fürder gekommen, da war ihm das Zeig zu schwer geworden: also daß er gezwungen hatte müssen was auswerfen, damit er die Last erleichterte. Nach diesem war er abermal fürder gegangen und hatte nicht minder auf Verlauf etwan eines Feldweges niedersetzen und was mehres davon tun müssen: indeme es gleichmäßig über alle Maße schwer geworden und nicht hat ohne Ausschüttung aus der Stelle gehen mögen. Wie er also zum andermal die Bürde in etwas abgetragen, da war er bei eine gute viertel Meile ferner gereiset, bis aufs neue das Schelmzeig sich so blutschwer befunden, daß er schier drunter niedergefallen, ungeachtet, daß über die Hälfte schon heraus gewesen. Weil er also die Unmöglichkeit fortzukommen gesehen und noch darneben immer befunden, daß es noch wie vor Steine gewesen, so hat er aus Ungeduld den ganzen Plunder auf den Weg geschüttet und war mit dem leeren Sack davon getrabet, bis er endlich nach Hause drüber geraten: da er seine Not und die Begebnüsse geklaget, gedenkende, daß ihm der Rübezahl zweifelsohne so geäffet habe, von welchen er nicht mehr als etwan nur diesen leeren Sack weggebracht. Und damit hat er ihn hervorgezogen, umgekehret und auf den Tisch geworfen: drüber unverhofft ein ziemlich Stücke Gold in eins vorgehabten Kiesels Gestalt hervorgeporzelt, nebenst sehr vielen kleinen Körnlein gediegen Goldes. Wer war da lustiger und närrischer gewesen als dieser ungedultiger Bote: welcher vor Freuden aufgehüpfet wie ein Rehe, vor Leid aber und Reue des gänzlich ausgeleerten Sackes, mehr aus Geizigkeit als Vergnügsamkeit, geweinet hatte, als der auf diesen Wege viel reicher hätte werden können, wenn er eine Partie Steine im Sacke übrig behalten hätte. Aber, o Narrheit, meinestu alberer Schöps, daß das allergeringste von den übrigen Steinen gleichmäßig hätte mögen in deinem Sack zu Golde plötzlich werden? Ich meines Erachtens halte dafür, daß der Rübezahl selbsten immer mit im Sack gesessen sei und denselben so oft und lange schwer gemacht habe, bis daß endlich alle unnütze Steine haben müssen herausgeschüttet werden: dabei er allemal das deputierliche beste Stücke verwahret und mit Fleiß am Sacke gehalten, damit es jo nicht möchte verschüttet werden, sondern nach geschehener Äffung als ein Geschenke dem Boten verbleiben.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 43f
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