Der Werwolf.

Mündlich in Ribbesbüttel.

Drei Arbeiter mähten eine Wiese. Als es nun Mittag war, und noch immer das Eßen nicht kam, sagten sie unter einander: "Wenn wir nun noch einmal herum sind, wollen wir uns so lange hintern Busch legen, bis das Eßen kommt." Gesagt, gethan. Zwei von ihnen schliefen sofort ein; denn nie schläft sich's beßer, als wenn man müde ist, und nirgends ist man weicher gebettet, als auf Blumen und Gras: der dritte aber schnallte sich einen Wolfsriemen um und schlich sich zwischen eine Heerde Pferde, die da weidete. Und das beste Füllen war ihm gut genug: er packte es und dämpfte es ab; die übrigen Pferde aber sammt dem Hirten suchten das Weite. Die beiden anderen Schnitter sahen das mit an, thaten jedoch wohlweislich, als ob sie schliefen; denn sie fürchteten und entsetzten sich. Als der Werwolf seinen Hunger befriedigt hatte, schnallte er den Riemen ab, kam zurück und legte sich aufs Ohr. Nach einer Weile kam das Eßen: ein großer Topf voll Hirsebrei, und für jeden sechs gekochte Eier und Brod und Salz. Während nun die zwei Schnitter fleißig zulangten mit ihren hölzernen Löffeln, sagte der Werwolf: "Vorher war ich so hungerig, und jetzt mag ich fast gar nichts mehr; ich weiß nicht, ob ich über den Hunger weg bin." Jene aber schwiegen stille. Und den ganzen Nachmittag klagte er über Beklemmung und Magendrücken; auch legte er sich oft an den Bach, um seinen glühenden Durst zu löschen. Jene aber schwiegen stille. Des Abends beim Zuhausegehn sagte er abermal, so voll sei er ja noch nie gewesen, worauf der eine Mäher erwiderte, das komme den Menschen wohl 'mal an. Als sie aber vors Thor kamen, und er wieder so redete, sagten die anderen Arbeiter: "Nun ja, ein Mensch, der ein Füllen verzehrt hat, kann wohl satt und voll und beklommen sein!" Da sprach er: "Hättet ihr mir das nur früher gesagt, so sollten eure Beine euch hieher nicht getragen haben", warf die Sense weg, schnallte den Riemen um, ward ein Wolf und kam sein Lebtag nicht wieder.

Quelle: Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr. 16, S. 58 - 59.