VON DEN SCHRAZEN ZU UNTERVIERAU

Unter dem Anwesen des "Bauern" zu Untervierau befinden sich sogenannte Schrazenlöcher und man kann jetzt noch vom Kartoffelkeller aus in dieselben gelangen. Ein unterirdisch freiliegender Eingang wurde vor längerer Zeit gelegentlich eines Brunnenbaues verschüttet. Aber schmächtig wie ein 8-10jähriger Bub muß einer sein, der in diesen unterirdischen Schlupfwinkeln herumkriechen will und doch müssen diese einmal bewohnt gewesen sein; denn die Ecken und Kanten sind wie abgeschliffen, fast wie poliert. Die Gänge laufen in einer kleinen Halle, der Kapelle, wie die Leute hier sagen, und die verschiedene Nischen aufweist, zusammen.

Wie der alte Prünstmüller erzählte, hat man in ihnen Topfscherben, Steine so scharf wie Messer und spitzige Knöchelchen gefunden. Auch soll sich vor langer Zeit am Eingang hie und da bei Mondenschein ein winziges, käsgelbes Männlein mit eisgrauem Bart gezeigt haben, das den Vorübergehenden zurief: "duck, duck, duck di!" und dann war es Zeit, die Feldfrüchte schleunigst heimzubringen; denn regelmäßig zog bald darauf ein Hagelwetter durch die Gegend, das alles, was auf den Feldern stand, in Grund und Boden schlug. Beim "Bauern" selbst kamen diese Erdmännlein immer nachts durch das Aschenloch in die Küche und der Bäuerin kam jedesmal die für den anderen Tag hergerichtete Kälbersuppe weg. Einmal blieb sie auf, um aufzupassen. Da sah sie zwei Männlein aus dem Aschenloche schlüpfen. Schnurstracks machten sie sich wieder über den vollen Suppenhafen her, aßen sich nicht nur satt, sondern füllten auch noch ihre mitgebrachten Töpfe. Das war der Bäuerin zu viel. Sie nahm den Suppenbesen und prügelte damit die kleinen Fraßsäcke tüchtig durch. Weinend liefen sie davon und blieben von da ab verschwunden. Die Bäuerin ließ den nächsten Tag gleich das Aschenloch zumauern. Mit den Schrazen verschwand auch das Glück aus Haus und Stall, bis die Alten in den Ausnahm gingen und ein neuer "Moa" aufzog.

Heinz Waltinger

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen