D' SCHIRGNKAPELLN

Zu Herrschaftszeiten gab es in Altrandsberg einen »Schirgn« 1) und das Schirgnhaus war das letzte der Häuschen auf dem Wege nach Hammersdorf. Nach dem Jahre 48, als der große Wind gegangen war, gab es auch keinen »Schirgn« mehr und seine Hütte, die zu seinen Amtszeiten schon ziemlich baufällig gewesen sein mag, fiel bald ein. Nur eine Kammer, die gewölbt war, hielt aus. Darin stellte eines Tages eine fromme Bäuerin ein paar Heiligenfiguren auf und - die Kapelle war fertig.

Über kurz oder lang kam nun ein armer Weber in Wohnungsnot. Zwar hatte er mit seinem Weibe und den Kindern in einem Inhäusl Unterschlupf gefunden; aber den Webstuhl mit seinem Gepolter duldete niemand. »Hat eh koa Weich nöt, dö Schirgnkapelln und dö Heiling sand graouslö 2) gnua!« sagte der Weber, warf die Heiligen kurzerhand heraus, stellte seinen Webstuhl hinein und fing an, fleißig und fröhlich darauf loszuarbeiten. Doch dauerte die Freude nicht lange. Als der Weber eines Morgens den Webstuhl wieder rumpeln lassen wollte, da fand er das Garn verwirrt, die Garnspulen in alle Ecken zerstreut, das Weberschiffchen in den Flachsagn 3) verwickelt, also alles in größter Unordnung. »Sand d' Ratzn 4) gwen! Dös Teuföszücht!« brummte der Weber. Er stellte ein paar Fallen auf; aber umsonst. Im Dorfe munkelte man schon, daß es in der Schirgnkapelln umgehe. »A was«, meinte der Weber, »wern halt d' Samstaburschn 5) sei, dö Bazzi! Döan helf i scho!« Beim Nachbarn hatten sie einen etwas überständigen Knecht, den Xveri 6), der an dem Samstagnachtgaudium der jungen Burschen nie teilgenommen und der ging mit dem Weber auf die Paß 7). Der Weber nahm seinen Tabakreiber, ein gewichtiges, keulenförmiges Instrument, der Xverö den Misttuscher mit. Es war ruhig wie im Grabe. Endlich aber, als es vom Moosbacher Kirchturm Mitternacht schlug, ging der Spektakel in der Weberwerkstatt los. »Sand uns dennat einökömma, dö Drackn!« meinte etwas ängstlich der Xverö. Zur Türe hinein und mit Misttuscher und Tabakreiber auf das Mannsbild los, das auf dem Webstuhl sitzt, war das Werk eines Augenblicks. Doch der Angegriffene scheint nicht aus leinenem Stoff zu sein und jeder seiner Gegner spürt flugs einen herben Hieb auf dem Schädel. Also bei der Gurgel packen! Und voller Wut stürzten sich die beiden Kampfgenossen auf den feindlichen Hals, hatten aber zu ihrer größten Verwunderung sich gegenseitig selbst an der Kehle. Zwischen ihnen flattert nur ein verwaschenes, zerlumptes Weibavüada 8), das sie voll Grausen auf den Misttuscher legen, auf die Straße schleifen, dann um einen Stein wickeln und auf die Schinderwiese ins rote Moos werfen. Von da ab war Ruhe in der Schirgnkapelln.

Heinz Waltinger

1) Scherge, Büttel.
2) Greulich.
3) Holzige Abfälle beim Hecheln des Flachses.
4) Ratten.
5) Die Nacht vom Samstag zum Sonntag wurde früher von den Dorfburschen benützt um allerlei Schabernack auszuführen.
6) Xaver.
7) Zum Aufpassen.
8) Weibervortuch = Schurz.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen