O DIE MÜLLER!

Allem Anschein nach waren von jeher die Müller mit Kräften bzw. Geistern der anderen Welt mehr in Verbindung als andere Leute. Das entnehmen wir den vielen Sagen und Volkserzählungen, die im Volke von ihnen umgehen. Und daß wenigstens das Müllergewissen nicht besonders enge ist, mag uns nachfolgendes lehren:

Vor kurzem sagte einer der Zunftgenossen derer, von denen wir eben handeln, zu uns: »Glei(ch) hoaßt's allamoi: Müller, du Diab! Dös is aba dalong. Koa Müller stiehlt nöt. Sagt ja a niada Baua, wenn a sei Troad in d' Mühl bringt: »Müller nimm fei dös mei zerscht!« No und soi as nacha nöt nehma?«

Ein alterfahrener Wirt, den von Zeit zu Zeit sein Zamperl in die große Zehe beißt, hat uns als Mittel gegen das Zipperlein oder Podagra genannt: Einreiben mit Schweinefett, das von einer Müllersau stammt, die ihr Lebtag kein gestohlenes Mehl gefressen hat. »So was gibt's aber auf der Welt nöt«, setzte er lachend hinzu.

Schlaue Köpfe müssen die Müller für alle Fälle sein; denn wir hören da und dort, daß ein Müller den Teufel zitiert und genützt, aber auch stets überlistet hat. Es ist uns noch kein Märlein aufgestoßen, in dem uns von einem vom Teufel vergewaltigten Müller berichtet wird.

Wir haben bereits von dem des Schwarzbuches kundigen Müller zu Wiesmühle vernommen. Ähnliches wird uns auch von einem Müller aus der Breitenberger Gegend mitgeteilt. Derselbe ist auch einmal Sonntags mit allen seinen Hausinsassen zur Kirche ins Pfarrdorf gegangen. Nur der Mühlknecht mußte »gamen« d. h. haushüten und zugleich die Mühle bedienen; denn die Mühle muß in trockenen Jahreszeiten oft auch am Sonntag ihre Räder schwingen, wenn gerade Wasser da ist. Der Mühlknecht kam nun in einer müßigen Viertelstunde über des Müllers Schwarzbuch und las und las. Ohne es zu wissen und zu wollen zauberte er damit eine Unmenge Raben herbei; die ganze Stube füllten sie. Nach einer bangen Stunde kam endlich der Müller heim und erlöste den Vorwitzigen von seiner Angst. Rasch holte er Hirse und schüttete sie mitten unter die Vögel. Dann las er das betreffende Kapitel im Schwarzbuch rückwärts, worauf ein Rabe nach dem andern verschwand. Derselbe Müller wollte einmal seinen Stadel vergrößern. Die Zimmerleute waren schon auf Montag bestellt; aber am Samstag abends war noch kein Holz angefahren. Ja, als am Montag früh die Werkleute anlangten, fanden sie wohl den Bauplatz bereit, aber immer noch kein Material. Sie waren darüber verwundert; aber der Müller sagte: »Gehts nur in d' Stubn einö und eßts!« Sie taten es und als sie Löffel und Mund gewischt und wieder vor die Mühle traten, da wollten sie ihren Augen kaum trauen: Ein ganzer Berg der schönsten Stämme lag bereit, zum Teil noch mit Wurzeln und Astwerk.

Was man von dem Müller aus der Gegend von Breitenberg spricht, dasselbe spricht man, was das Schwarzbuch anlangt, auch von einem längstverstorbenen Besitzer der Teufelsmühle bei Grafenau. Da ging es einem Mühlburschen geradeso wie jenem Mühlknecht. In diesem Falle erinnerte sich der Müller in der Kirche, daß er sein Schwarzbuch nicht versperrt habe und lief daher eiligst heim. Da streute er, als er die Bescherung in der Stube, die schwarzgefiederten Gäste, wahrnahm, einen Metzen Hirse unter sie. Hätten die Raben nämlich noch kurze Zeit ohne Beschäftigung zubringen müssen, so hätten sie den Mühlburschen unfehlbar zerhackt. Sie mußten nun die Hirsekörner kornweise auf den Speicher tragen. Währenddessen begann der Müller im Schwarzbuche das vom Burschen Gelesene rückwärts zu wiederholen. Darauf verschwanden die Raben wieder, einer nach dem anderen. Nur ein Hirsekörnlein war übrig geblieben. Wären die Raben mit ihrer Arbeit früher fertig geworden als der Müller, so hätte der Mühlbursche trotzdem daran glauben müssen; auch der Müller wäre nicht mit heiler Haut davon gekommen.

Nachdem die Luft bzw. die Stube wieder rein war, erzählte der Müller dem Burschen, wie nahe er seinem Ende gewesen sei. Darüber erschrak derselbe so sehr, daß er ernstlich krank wurde und bald darauf starb.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen