DIE GRAS- UND ROSENGASSE IN LANDSHUT

Als man 1349 schrieb, da schlich ein Würgengel durch unser Bayern, der ganze Ortschaften, ja Landstriche entvölkerte - der schwarze Tod, die Pest. In Landshut hauste der Würger besonders schrecklich. In allen Häusern lagen Tote; in allen Straßen, auf allen Gassen fand man Leichname. Es gebrach bald an Totengräbern, die armen Opfer alle zu beerdigen. Zwei Gassen waren in kürzester Zeit ganz menschenleer. Wenige Menschen hatten sich daraus flüchten können; die übrigen waren der Pest erlegen. Niemand aber kümmerte sich hier um die Toten. Man ließ sie einfach liegen und verwesen. Selbstverständlich verbreitete sich von diesen Totengassen aus alsbald er schrecklichste Geruch. Darum vermauerte man sie.

Lange, lange Jahre, nachdem der furchtbare Todesengel die Stadt verlassen hatte, riß man die beiden Gassen wieder auf um sie zu reinigen und dem Verkehre zurückzugeben. Und was fand man da? Die eine Gasse war mit üppigem Grase überwachsen und in der anderen rankte ein wilder Rosenstrauch, dessen zarte Röslein im sanften Winde traulich nickten. Zur steten Erinnerung beschloß man, die eine Gasse Grasgasse, die andere Rosengasse zu benennen und so heißen sie noch heutigen Tages.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen