GAMBRINUS VOR DEM EGGER BRÄUHAUS

Vor dem großen Egger Bräuhaus
steht Gambrinus steinern, riesig;
in der Hand hält er den Humpen,
Hopfensaft perlt drinnen flüssig.

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Lange Jahre sind verflossen,
seit der gute Meister Hennig
seine Gurgel eingefeuchtet;
schuldig war er drum nicht wenig.

Ach, er trank ihn gar zu gerne,
diesen edlen Saft aus Gerste
und aus Hopfen fein gepantschet,
Kieser war er wohl der erste.

Aber an der schwarzen Tafel
war Herr Hennig angekreidet
Strich an Strich - du meine Güte!
ös Trinken war ihm schier verleidet;

denn der Graf hört vom Bräumeister
von Herrn Hennigs großen Schulden
und der Graf winkt barsch zum zahlen.
Hennig hat nicht einen Gulden.

Und er spricht: "Hör' mein Gebieter!
Ach, wie hart ist doch das Zahlen
für' nen armen, durst'gen Steinmetz!
Bin der durstigste von allen.

Löscht mir aus die dummen Strichlein
und ich will Euch einen dicken
Gambrinus aus Granit meißeln;
lange soll Euch der entzücken."

Und der Graf ließ es geschehen.
Seiner Schulden los ward Hennig;
von den vielen, vielen Strichlein
durft' er zahlen keinen Pfennig.

Fleißig aber ging der Meißel
und Gambrinus kam zustande.
Heut' noch steht er vor dem Bräuhaus
in dem altersgrau'n Gewande.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen