DER FREVEL ZU HALBMEILE

Am letzten Tage des Monats April des Jahres 1690 ritt der churbayerische Kürassier Klein aus seinem Quartierorte Hengersberg gegen Deggendorf. Als er im Walde zu dem Bilde Maria sieben Schmerzen kam, erfaßte ihn tolle Wut, zog er seine Pistole und schoß auf das Bild. Dann riß er seinen Säbel aus der Scheide und hieb wie verrückt darnach. Die Schnitt- und Stichverletzungen am Bilde wurden wieder ausgebessert; die Schußverletzung ist heute noch wahrzunehmen.

Das Schicksal erreichte den Frevler. Auf dem Heimweg warf ihn sein Pferd, ein prächtiger Talerschimmel, ab, worauf dasselbe auf ihn sprang und ihn schrecklich zurichtete. Das Fleisch hing ihm von beiden Wangen und die Hirnschale war ihm eingedrückt. Auf das Geschrei des so übel Zugerichteten kamen Bauern, die auf den Feldern in der Nähe gearbeitet hatten, herzu, hoben ihn auf und verbrachten ihn nach Deggendorf. Dort wurde ihm in einem Gasthause in einer Kammer zu ebener Erde ein Lager bereitet. In der zweiten Nacht streckte um Mitternacht plötzlich ein Pferd den Kopf zum offenen Fenster herein und wieherte laut. Gleich darauf starb der Frevler.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen