EINE HEXENAUSTREIBERIN

In Bruck bei Neukirchen bei Pfarrkirchen war nicht selten die Milch verhext. Man mochte noch so vorsichtig abrahmen und noch so lange an dem Rührkübel sitzen, alles umsonst.

Da ging der schöne Einödhof durch Kauf in andere Hände über. Die neue Bruckbäuerin, ein schon bejahrtes Weiblein, brachte den Ruf mit, alle Hexen aus ihrem Gäu, d. h. aus ihrer Gegend, vertrieben oder doch ihrem Unwesen gesteuert zu haben. Bald merkte sie, daß in Bruck die Hexe fleißig Einkehr nehme; denn auch sie konnte selten ausrühren. Nun stellte sie gleich ihre »Wissenschaft« in den Dienst der Haus- und Landwirtschaft. Sie ging in den Kuhstall hinab, reinigte den Born aufs säuberlichste, steckte rundum geweihte Wachslichtlein auf und schüttete den besten weißen Rahm in den Born, schnitt hierauf von der Dornhecke draußen einige starke Reiser ab und hieb damit mit aller Wucht eine Viertelstunde lang auf den Rahm ein. Von da an ist die Hexe ausgeblieben.

Es dauerte nicht lange, so ging ihr Ruf als Hexenaustreiberin weit über die Gemeindemarkung hinaus und sie mußte bald da, bald dort hin, ihre Kunst zu zeigen. Zu ihrem größten Verdrusse passierte es ihr dabei oft, daß sie morgens in aller Frühe sich auf den Weg machte, bei einem Nachbarn oder in einem weiter entfernten Hofe Hilfe zu bringen, aber schon nach kürzester Frist unverrichteter Dinge wieder heimkehren mußte. Es war ihr nämlich jemand begegnet, der ihr entweder einen guten Morgen wünschte oder sie ansprach: »No Brucknerin, so früah scho af dö Füaß?« Wollte sie eine Hexe austreiben, so durfte sie vor diesem Geschäfte nicht angesprochen werden, geschweige denn selbst sprechen.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen