EINE ANMELDUNG

Der alte Lenzbauer von Giggenried hatte daheim ein totkrankes Weib. Er aber saß in March fröhlich am Biertisch und trank bis in die späte Nacht hinein. Endlich machte er sich auf den Heimweg. Als er so dahinwankte, kamen ihm Gewissensbisse. Er machte sich bittere Vorwürfe und bat sein Weib im Herzen um Verzeihung. Plötzlich vernahm er ein eigentümliches Gemurmel, das immer näher und näher kam, immer stärker und stärker anschwoll. Nicht lange und er sah eine Schar Menschen prozessionsweise daherwallen und da er glaubte, man bringe einem Sterbenden die Wegzehrung, schloß er sich dem Zuge an. Als er aber die Gestalten näher betrachtete, überfiel ihn ein Grauen - die Schar bestand aus lauter klappernden Totengerippen. Da ahnte er, was dieser Zug zu bedeuten habe. "Mein Weib!" stöhnte er und eilte, so schnell ihn die Füße tragen konnten, seinem Hofe zu. Als er die Tür zu seiner Schlafkammer aufriß, schien gerade der Mond durchs Fenster und beleuchtete das bleiche Antlitz der toten Lenzbäuerin.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen