DIE WEIZ VON ZIMMERN

Der Weberin von Zimmern - sie liegt schon lange unterm Rasen - hatte der liebe Gott acht Kinderlein beschert. Sie hatte aber das Mutterglück nicht verdient; denn sie war ein bitterböses Weib und die Schuljungen nannten sie bei Lebzeiten schon eine Hexe. Von ihren acht Kindern hat sie auch nicht ein einziges taufen lassen; dafür nun mußte sie nach dem Tode schrecklich büßen und allnächtlich umgehen. Dabei kam sie als Weizlichtlein allemal ums Haus geflogen. Vorerst vernahm man in den Zweigen und Blättern der nahen Bäume ein sonderbares Rauschen; dann erschien das Lichtlein, anfangs scheu hin- und herirrend, dann zwei-, dreimal um das Haus fliegend, wobei ganz jämmerliche Laute vernehmbar waren. Hierauf verschwand es entweder in einem offenen Fenster des oberen Stockwerkes oder plötzlich in der Luft.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen