DIE NÄCHTLICHEN EISSCHÜTZEN

Geht man von Arnstorf gen Pfarrkirchen, so kommt man an den Dörfern Breitenbach und Wammering vorüber. Jedes derselben liegt auf einem Berg und durch den dazwischen liegenden Talkessel fließt ein schmales Bächlein, das am rechten Ufer sich an einer Stelle etwas erweitert. Hier vergnügt man sich im Winter allgemein mit Eisschießen.

In einer grimmigkalten Dezembernacht kam einmal ein altes Weiblein hier vorbei. Es hatte eine entfernte kranke Base besucht. Schon von weitem hörte es vom Eisplatz her das Rutschen und Aufstoßen der Eisstöcke und das Rufen der Spieler: »Sechse, sechse!« - »Neune, neune!« Sie hätte gerne gewußt, wer noch so spät sich vergnügte, konnte aber infolge der großen Finsternis niemand erkennen. Es kam ihr überhaupt recht sonderbar vor, daß die Leute ihr Spiel trieben, während man doch nicht die Hand vor den Augen sehen konnte. Sie rief »Gute Nacht!« hinüber und stieg dann den Weg gen Wammering hinan. Aus der Gruppe der Spieler löste sich eine Gestalt, ging ihr nach und fragte sie ob sie mit ihr gehen dürfe. Sie bejahte es, da sie sich ohnehin fürchtete. Aber der Begleiter kam ihr bald auch nichts weniger als vertrauensselig vor. Er hinkte auf einem Fuße und ließ von Zeit zu Zeit das Zusammenschlagen der fletschenden Zähne hören. Beim ersten Hause in Wammering, beim Schuster, klopfte sie an die Haustüre und bat um Einlaß, den man ihr selbstverständlich sofort gewährte. Der unheimliche Begleiter blieb vor dem Hause stehen und schaute beständig zum Fenster herein. Erst als man den Tag anläutete verschwand er.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen