DIE IRRGLOCKE *)ZU HUTTHURM

Die Wanderer, welche früher den Bayerischen Wald bereisten, oder durch denselben nach Böhmen zogen, verirrten sich nicht selten in den dichten, pfadlosen Wäldern. Diesen Reisenden zur Hut wurde nun von dem Kirchturme einer Ortschaft des Vorwaldes aus ein Zeichen gegeben, indem man stündlich die große Glocke läutete. Dadurch konnten sich solche, welche sich verirrt hatten, wieder zurecht finden, jene aber, die noch auf dem rechten Wege waren, wurde so von dem Turme aus gemahnt, auf der Hut zu sein. Von diesem behütenden Turme erhielt die Ortschaft selbst dann den Namen Hutthurm. Die Glocke von Hutthurm hatte einen so kräftigen Ton, daß sie weit und breit alle übrigen Irrglocken übertönte, ja sogar die Domglocke zu Passau übertraf. Das durfte jedoch nicht sein, darum wurde angeordnet, daß man ihr einen Nagel durch den Mantel schlage, um den Ton etwas zu dämpfen, was auch geschah.

*) Irrglocken hießen die Glocken, welche zum Schutz der Wanderer geläutet wurden.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen