DIE GÜLDNEN SCHNEEREIFLEIN

Vom Dreisesselberge im unteren Bayerwalde ist bekannt, daß auf seiner Spitze drei sesselartige Vertiefungen in die Felsen eingehauen sind. Der Sage nach sollen hier in alter Zeit die Herren von Böheim, Bayern und Österreich Zusammenkünfte gehalten und sich besprochen haben, jeder in seinem Lande sitzend. Weiter wird erzählt, daß dazumal in den Burgen Wolfstein, Hauzenberg und Riedl drei wunderholde Fräulein lebten. Um diese warben drei junge Edelleute aus dem Gefolge der Fürsten, ein Bayer, ein österreicher und ein Böhme. Aber die Fräulein waren ebenso hoffärtig als liebreizend und ihr Sinn stand nach gräflichen oder wohl gar fürstlichen Freiern, weshalb ihnen die schlichten Ritter nicht gelegen kamen. Um diese abzuschrecken, setzten sie den Preis ihrer Schönheit über die Maßen hoch hinauf und stellten den Jünglingen schier unerfüllbare Bedingnisse. Gleichwohl nahmen die Ritter die harten Satzungen an; denn der Liebe däucht keine Aufgabe zu schwer. Sie empfingen nun aus den Händen der Fräulein jeder ein güldenes Fingerreiflein. Damit sollten sie sich, wenn sie ihre Abenteuer glücklich durchgekämpft, von heute an über's Jahr, am Abende vor dem Dreikönigsfeste, gemeinsam auf dem Dreisesselberge einfinden. In der Mitternachtsstunde würden sodann auf den Warten der drei Burgen Freudenfeuer auflodern, zum Zeichen, daß man der Bräutigame in Jubel harre. Die Ritter zogen nun in den Gauen herum, bestanden manchen harten Strauß, kämpften mit Riesen und Drachen und nachdem sie alles, was ihnen geboten war, pünktlich vollführt, arbeiteten sie sich an dem bestimmten Tage mühsam durch den tiefen Schnee zum Dreisesselberge hinan, um auf dem Gipfel desselben die versprochenen Zeichen abzuwarten. Eine Ewigkeit schien ihnen die Zeit bis zur Mitternacht. Diese kam endlich und verrann - aber nirgends brannten die Feuer.

Die Ritter vermerkten jetzt - zu spät - daß sie geäfft seien und voll Unmutes zogen sie die Ringe von den Fingern und warfen sie, jeder nach einer anderen Himmelsgegend in die mit Schnee erfüllten Abgründe. Darauf zogen sie von dannen auf Nimmerwiederkommen.

Die stolzen Dirnen aber führte kein Freier zum Altare. Sie welkten dahin in den freudenleeren Mauern ihrer Schlösser und sanken in's Grab, ohne auch dort Ruhe zu finden; denn alljährlich in der Dreikönigsnacht sieht man sie die Kuppe des Dreisesselberges umirren, vergeblich die klafterhohe Schneedecke nach ihren Ringen durchwühlend.

Adalbert Müller

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen