DER AMTMANN UND DAS IRRLICHT

Der Amtmann von Hofmark 1) ritt einmal von Passau heim. Im sogenannten langen Holz zwischen Rehschaln und Jägerwirth überraschte ihn die Nacht und sein Pferd kam vom rechten Wege ab. Ratlos befand er sich in einem undurchdringlichen Dickicht. In seiner Not gelobte er, den armen Seelen eine Messe lesen zu lassen, wenn er heimfände. Im Neuburger Walde hausten damals noch Wölfe; auch Räuber machten ihn unsicher. Da erschien plötzlich zwischen den Ohren des Pferdes ein Lichtlein und in kürzester Frist war er wieder auf dem richtigen Wege. Wie auf Windesflügeln flog jetzt das Pferd durch den Wald. Bald hatte nun der Amtmann seine Behausung erreicht, deren wohlverschlossenes Hoftor sich von selbst öffnete. Als der Amtmann vom Pferde sprang, um es nach dem Stalle zu führen, schwebte das Lichtlein zögernd in der Luft umher. Dankend rief ihm der Amtmann zu: "vergelt's Gott tausendmal!" Da erfüllte blendende Helle den ganzen Hof, worauf das Lichtlein verschwand. Der momentane Lichtschein hatte die Leute im Amtshause aus dem Schlafe geweckt. Sie glaubten Haus und Hof stehe in Flammen. Wie waren sie aber freudig erstaunt, als sie den Amtmann mit dem Pferde erblickten und noch mehr, als er ihnen sein Erlebnis erzählte!

Der Amtmann löste alsbald sein Versprechen ein.

1) Eine zur Pfarrei Holzkirchen, Bezirksamt Passau, gehörige Ortschaft.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen