Der Herr vom Untergartenhof

Vor Jahren schickte der Untergartenhöfer seine Arbeiter auf den Kugelnberg an die Stelle, wo einst die Burg gestanden hatte. Dort sollten sie nachgraben und suchen, ob etwa ein Schatz verborgen läge. Und sie gingen auch fleißig ans Werk. Sie schaufelten, hackten und gruben, dass ihnen die Gesichter glühten und der Schweiß von der Stirne tropfte. Endlich - horch! gab es unter ihren Geräten einen metallenen Klang, und jetzt
gruben die Leute noch eifriger und tiefer. Zwar fanden sie hernach keine eiserne Truhe mit Gold- und Silbermünzen, aber umsonst war ihre Mühe doch nicht; denn sie brachten einen kunstvoll verzierten Schild zutage und außerdem zwei Schwerter und einige Speere mit vergoldetem Griff. Darüber waren sie froh, gingen eilends heim und berichteten ihren Fund dem Herrn. Der stieg gegen Abend selber den Kugelnberg hinan, um die alten Waffen zu holen. Er hatte fast den Gipfel des Berges erreicht, als im nahen Goldbach die Abendglocke zu läuten begann. Da schien dem Manne die Gegend plötzlich wie verzaubert und fremd. Er irrte nach links und nach rechts und versuchte nach allen Seiten aus dem Walde zu kommen, aber es gelang ihm nicht. Er überlegte, dass sich doch drüben Goldbach breiten müsste und dort drunten die Stadt. Allein der Gartenhöfer durfte noch soviel überlegen und sinnen, er fand keinen Weg aus dem Gewirr der Bäume und stand unschlüssig da, verwundert und beinahe erschreckt. Da erblickte er auf einmal eine Frau, die saß auf einem Backkorb wie ein Reiter auf seinem Pferd, und das Weib kam auf dem sonderbaren Rösslein näher heran. Der Untergartenhöfer stutzte, und dann musste er hell auflachen und rief:

"Ei, die reitet ja auf einem Backkorb!"

Und kaum hatte er das gesagt, erhielt er eine schallende Ohrfeige und ward von dem Schlag wie betäubt. Als er wieder zu sich kam, erschien ihm die Gegend genau so vertraut wie vorher, obwohl es inzwischen dunkle
Nacht geworden war. Und jetzt fand er auch leicht nach Hause. Wie er sich jedoch ans Ohr griff, auf das er die "Backpfeife" erhalten hatte, bemerkte er, dass es viel kleiner geworden war. Die Lust nach Hebung von Schätzen war dem Gartenhöfer für immer vergangen.
Dr. Lothar Weber

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 36ff