Das Erdloch zu Steinmark

Die Steinmarker Leute raunten einander zu, dass draußen in dem großen Erdloche auf dem Berge viel Geld versteckt wäre. Und sie wollten den Schatz heben. So gingen sie in einer Vollmondnacht - der Dorfschulze voran - mit Hacke und Spaten hinaus in den Gemeindewald. Als sie an der Stelle waren, wo die Gold- und Silbermünzen verborgen sein sollten, sagte der Schulze: "Wir stellen vor das Loch eine Wache, damit uns niemand bei der Arbeit stört." Also blieben drei Ortsbürger außen stehen; jeder hielt einen Prügel in der Hand, so groß wie ein Schälscheit. Der Schulze stieg mit noch ein paar Männern ins Loch hinunter, und sie gruben darauf los. Die drei Wächter aber sahen plötzlich mehrere dunkle Gestalten, die trugen Baumstämme heran und begannen, die Bäume zu behauen; sie hämmerten, schlugen und schlitzten wie gelernte Zimmerleute. Hernach richteten sie einen Galgen auf. Die drei Wachestehenden sahen alles mit an, redeten aber nichts, weil man beim Schätzesuchen ja keine Silbe sprechen darf. Und die unheimlichen Fremden schwiegen auch, während sie arbeiteten. Als jedoch der Galgen fertig dastand, sagte einer von hnen: "He, wen wollen wir zuerst hängen, den mit dem roten Wams?" Als die Wachesteher solches hörten, warfen sie ihre Keulen fort und rannten spornstreichs ins Dorf zurück.

Von dem Schulzen aber und den übrigen, die mit ihm ins Loch hinunter gestiegen sind, hat niemand mehr etwas gesehen oder gehört. Die Wächter, die heimgesprungen waren, hatten voll Schrecken ausgerufen: "Oh, ihr Leute, der Schulz und die anderen sind alle gehängt worden!" Von der Zeit an hat man das Loch auch noch "Schächerloch" geheißen.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 161f