Die Sandkirche

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts lagen, wie gar manchmal schon, fremde Krieger vor den Toren Aschaffenburgs. Eines Tages nun sahen sie zwischen Gebüsch drei wunderschöne weiße Lilien blühen. Sie pflückten sie ab, waren aber nicht wenig verwundert, als am nächsten Morgen an der gleichen Stelle wieder drei Lilien in herrlicher Blüte standen. Sie brachen sie wieder ab, aber ihr Staunen ward noch größer, als sie am nächsten Tage genau am selben Platz abermals drei Lilien erblickten von schneeweißer Pracht. Ei, dachten die Kriegsleute, von dieser Art Lilien nehmen wir Zwiebeln mit in unsere Heimat und pflanzen sie dort ein. Sie gruben den Boden auf - und, wie seltsam! Sie fanden darin keine Zwiebeln, wie sie geglaubt hatten, sondern ein Muttergottesbild. Mehrere Aschaffenburger Einwohner liefen herzu und trugen das Bild in die Stiftskirche. Allein am anderen Morgen befand es sich wieder dort, wo es ausgegraben worden war. Es wurde jetzt eine Kapelle darüber gebaut, die sich jedoch in wenigen Jahren als viel zu klein erwies. Denn es kamen immer mehr Leute, um vor dem wundertätigen Bild zu beten. So wurde dann im Jahre 1273 eine größere Kirche, "Die Sandkirche zur weißen Lilie", erbaut. Bei einer späteren Erneuerung bezog man den Turm der Stadtbefestigung an der Sandpforte mit ein und versah die Kirche mit einem Glockenturm. Der Hochaltar befindet sich an der Stelle, wo einst das Bild aufgefunden wurde. Es ist in keinerlei Weise verändert, beziehungsweise umgestaltet worden, sondern sieht gerade noch so aus, wie es seinerzeit aus der Erde genommen wurde. Einmal wollte man es durch einen Anstrich verschönern, doch der fiel gleich wieder ab.

Heute noch knien fromme Leute vor dem Bild der Muttergottes und bitten in schweren Anliegen um einen guten Rat. Die heilige Maria in der Sandkirche wird deshalb allgemein auch "die Mutter Gottes vom guten Rat" genannt.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 17.