Die Kirchweih zu Roßbach

An einem Kirchweihsonntag saßen junge Roßbacher Burschen zusammen beim Wein, und dabei kam die Nacht; es stürmte draußen, und die Schneeflocken tanzten in der Luft, als ob sie auch Kirchweih hätten, und der Wind machte den Spielmann und blies die höchsten Töne. Um so behaglicher war's unseren Roßbachern in der warmen Stube am brummelnden Ofen, und wie es sich so gibt, fingen sie das Erzählen an; was der eine nicht wusste, sagte der andere, und bald waren sie mitten in den Geschichten von Hexen, Gespenstern und sonstigem Spuk, so dass manchem darüber ganz gruselig wurde. Aber der Hans meinte: "Ich fürchte mich vor nichts. Wenn mir was begegnen sollte, so ist's ein guter Geist oder ein böser; der gute tut mir nichts, und mit dem bösen werde ich fertig. Auf die Gefahr geh' ich zu jeder Zeit und überall hin, mag der Ort noch so verrufen sein." "Ei", sagten die anderen, "wenn du's Herz hast, dann geh nach Hausen und hol uns eine Stütze Wein, der Wirt von Hausen soll vom besten Sodener Neuen haben." Hans ließ sich's nicht zweimal sagen, sondern machte sich alsbald auf den Weg.

Als Hans fort war, sprach Veit: "Dem Hans tu' ich einen Schabernack, damit er das nächste Mal aufs Prahlen vergisst. Ich hab' zu Hause eine Ochsenhaut, die hänge ich um und stelle mich auf die Höhe. Wenn der Hans zurückkommt, tret' ich ihm in den Weg - glaubt ihr's, ich jag' ihn in den Wald."

Von Roßbach nach Hausen ist eine kleine halbe Stunde. Der Weg führt über einen Berg; auf der Höhe aber ist's eben. Damals war dort eine größere, steinige Ödung, worauf nur einzelne verkrüppelte Kiefern und Wacholderbüsche wuchsen. Auf dieser Höhe nun steht ein alter, steinerner Bildstock, den man das "rote Bild" nennt. Und hinter dem Bildstock, hart am Wege, versteckte sich der Veit. Er hatte die Ochsenhaut um sich geschlagen und deren Kopf mit den Hörnern über seinen Kopf gezogen.

Nicht lange, da kam Hans von Hausen zurück. Soeben geht er über die Höhe, nähert sich dem Bildstock, und jetzt kommt Veit wie aus dem Erdboden gestiegen hervor und stellt sich Hans in den Weg. Hans ruft: "Wer bist du?" Veit gibt keine Antwort. Da fragt Hans weiter: "Bist du ein guter Geist oder ein böser?" Aber Veit antwortete mit keiner Silbe, sondern stellt sich nur vor den anderen hin. Der aber nimmt sein kleines Beil, das er im Rocksäckel stecken hat und schlägt auf das vermeintliche Gespenst, dass es lautlos zusammensinkt. Dann setzte Hans seinen Weg nach Roßbach fort und brachte den Kameraden die Stütze Wein. Während er ihnen einschenkte, erzählte er, es wär' ihm am Bildstock ein Geist begegnet, der ihm auf sein Anrufen keine Antwort gegeben hätte. Da habe er ihm mit dem Beil eins auf den Kopf versetzt, dass er umgesunken und liegen geblieben sei.

Wie die Burschen das hörten, erschraken sie und eilten sogleich mit Laternen auf die Höhe ans Bild.

Allein da war von ihrem vermummten Kameraden nichts mehr zu sehen. Er war und blieb weg, und bis heute weiß noch niemand, wohin er gekommen ist.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 101f