Die Handwerksburschen

Einmal gingen drei Handwerksburschen von Triefenstein die Höhe hinauf gegen Altfeld zu. Da kamen sie auch an der Stelle vorüber, wo sich ehemals die Neuenburg erhob. Während sie in die Trümmer des früheren Raubschlosses guckten, erschien ihnen die Frau Hulda in all ihrer Pracht und Herrlichkeit und lächelte sie gütig an. Die Wandergesellen waren zunächst sehr erschrocken und ganz geblendet von der lichten Gestalt. Dann aber fassten sie Mut; sie zogen ihre Hüte ab, hielten sie vor sich hin und sagten dazu den alten Spruch der Wandergesellen: "Wir sind unser zwanzig, reisen von Mainz nach Danzig, ach, seid doch so gut und schmeißt uns was in den Hut!"

Und nun brach die von Himmelsglanz umstrahlte Frau im Fichtengehölz drei Zweige ab und legte jedem Burschen einen in den Hut. "Hebt die Zweige gut auf", sprach die Frau, "sie werden euch Glück bringen." Und nach solcher Rede war sie verschwunden. Die Wanderer gingen, noch halb benommen von der Erscheinung, ihres Weges fort. Schließlich sagte der eine: "War das am Ende eine Hexe? Mit der möchte ich nichts gemein haben!"

Und er warf seinen Zweig weg. Der zweite folgte seinem Beispiel und schleuderte sein Zweiglein ebenfalls in den Graben, der sich am Straßenrande hinzog. Nur der dritte behielt das Reis und steckte es an den Hut. "Ei", meinte er, "für eine Hexe war die Frau zu schön. Ihr zu Ehren werde ich den Zweig tragen." Droben in Altfeld wollten die drei Gesellen ihr Schlafgeld für die Nacht erbetteln. Allein schon der erste Bauer, bei dem sie vorsprachen, guckte sie groß an und sagte: "Ihr geht betteln und seid doch viel reicher als ich. Da trägt ja einer von euch einen goldenen Zweig auf dem Hut!" Die beiden Handwerksburschen, die ihre Zweige weggeworfen hatten, sahen nun nach dem Hute ihres Kameraden, und wahrhaftig, der Holzzweig war zu echtem Golde geworden. Wie jubelte der glückliche Geselle! Er nahm vom Wunderästlein zwei Knospen ab, die wie rotes Edelgestein funkelten, und gab jedem Kameraden eine davon. Er selbst aber eilte mit dem goldenen Zweig heim ins Dorf. Hier kaufte er sich ein Haus und baute sich eine helle, große Werkstatt dazu. Seine zwei Wanderfreunde waren den Weg von Altfeld zurückgelaufen, um nach ihren Fichtenwedeln zu suchen. Aber sie fanden sie nicht mehr, sosehr sie auch im Graben darnach spähten.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 157f