Der Guckenberg bei Gemünden

Einst kam ein armer Knabe, der in der Umgegend von Gemünden Semmeln feil trug, an den Guckenberg und traf hier einen steinalten Mann, der den Jungen freundlich anredete. Da fasste der arme Bub Zutrauen zu dem Greis und klagte, dass er nur wenig verdiene, weil die Leute nicht genug Wecke kaufen würden. Nun sagte der Alte: "Komm mit, Kleiner, ich will dir zeigen, wo du täglich so viele Wecke los bringst, als du tragen kannst. Doch darfst du niemand etwas davon sagen." Hernach führte der alte Mann den Knaben in den Berg hinein, und es war darinnen wie in einer großen Stadt mit regem Leben, und an einem Tische saß ein Kaiser, dessen Bart schon zweimal um den Tisch gewachsen war. Der Knabe brachte von jetzt ab jeden Tag sein Gebäck hierher und erhielt dafür uraltes Geld. Im Orte daheim fiel's aber allmählich auf, dass der Junge immer mit alten Silbermünzen zahlte; die Leute stutzten, wollten das Geld nicht mehr annehmen und drangen in den Jungen zu sagen, woher er es bekäme. Da offenbarte er sein Geheimnis. Ein Kamerad von ihm schloss sich beim nächsten Berggange als Begleiter an, obwohl der Semmelbub nichts davon wissen wollte. Allein den anderen lüstete es, die Pracht und den Glanz im Innern des Berges zu schauen, und so gingen sie zu zweien in der Richtung nach dem Guckenberg. Allein sie fanden ihn nicht mehr, noch viel weniger den Eingang, und die ganze Gegend kam ihnen überhaupt verändert vor.

Auch später versuchte es der Knabe noch öfters, in den Berg zu gelangen, doch stets vergeblich; denn die Türe dazu öffnete sich niemals mehr.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 188f