Ernstkirchen

In alter Zeit waren die Einwohner des Kahlgrundes Heiden gewesen. Zu Schöllkrippen hatten sie einen Götzentempel. Als nun fromme Glaubensprediger in die Gegend kamen, nahmen die Schöllkrippener bald die christliche Lehre an und wurden eifrige Christen. Sie und die umwohnenden Glaubensbrüder beschlossen eine gemeinsame Kirche für die ganze Gegend zu errichten. Bloß wurden sie sich nicht einig, wohin sie das Gotteshaus bauen sollten. Die Schöllkrippener wollten es in ihrem Dorf haben, während die anderen einen Platz vorschlugen, der draußen auf dem Felde zwischen alten Ansiedlungen lag. Dorthin wurden dann auch die Steine und das Holz für den Bau gefahren. Doch die Schöllkrippener Einwohner holten in der Nacht heimlich das Baumaterial an jene Stelle im Dorfe, wo s i e gerne die Kirche gehabt hätten. Allein wie staunten sie, als es morgens wieder am ursprünglichen Platz war, auf freiem Felde! Nun holten es die Schöllkrippener in der Nacht noch einmal zurück ins Dorf. Wie es aber dann zum zweiten Mal hier verschwunden und draußen auf der Flur war, erblickte man darin einen Fingerzeig Gottes, und da halfen alle fleißig mit, das Bauwerk zu vollenden. Als sie damit fertig waren, setzte ein junger Zimmermann, namens Ernst, den Wetterhahn auf den Turm. Er schwenkte hoch oben vergnügt seine Mütze, glitt aber dabei aus und stürzte vom Turm herab mitten unter die vielen Leute, die um die neue Kirche herumstanden. Der Zimmergesell blieb mit zerschmetterten Gliedern liegen. Daher alsdann der Name Ernstkirchen.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 83f