Auf dem Dammsfelde
Auf der weiten Ebene zwischen Elsenfeld und Erlenbach, dem sogenannten
Dammsfeld, bekämpften sich im Jahre 213 n. Chr. die Römer und
Germanen. Der römische Kaiser Caracalla war mit einem großen
Heere das linke Mainufer heraufgezogen und bis zum Pfahlgraben vorgedrungen,
der sich bis ins Dammsfeld erstreckte - etwa da, wo sich jetzt die Glanzstoffwerke
befinden - und auf der anderen Mainseite durch das Kastell Obernburg geschützt
war. In den Spessarttälern wohnten noch die freien germanischen Volksstämme
der Alemannen und Chatten. Diese schlossen ein Bündnis zum Schütze
gegen die Römer und vertrieben ihre Besatzung aus dem Pfahlgraben.
Nun rückte Kaiser Caracalla mit vielen Streitern heran, den Pfahlgraben
wieder zu erobern. Dann wollte er weiter in die Täler des Spessarts
vordringen und die Germanen unter seine Macht beugen. Bei Obernburg setzte
das römische Heer über den Fluss. Die Germanen zogen sich vor
dem überlegenen Feinde zurück. Dazumal war der Spessart noch
ein großer, fast undurchdringlicher Wald. In diesem hielten sich
die Chatten versteckt, die nur in Kämpfen zu Fuß geübt
waren. Wo die Berge ansteigen, erwarteten die Reiterscharen der Alemannen
den Feind. Der kam nur langsam vorwärts; denn die ohnehin
schlechten Wege waren durch ein heftiges Wetter nahezu grundlos geworden.
Endlich, endlich ist das kaiserliche Heer so weit vorgerückt, dass
es die sich versteckt haltenden Chatten im Rücken angreifen kann.
Ein Teil der Chatten wirft sich mit aller Wucht auf den Feind, die anderen
vereinigen sich mit den alemannischen Reitern. Es beginnt ein furchtbares
Gemetzel. Die Deutschen kämpfen mit heißem Grimme, die Römer
mit dem Mute der Verzweiflung. Schrecklich ist das Blutbad, das die Deutschen
unter den Römern anrichten. Nach hartnäckigem Ringen muss sich
die römische Streitmacht in das Tal zwischen dem Gebirge und dem
Main zurückziehen. Ein zweiter mörderischer Kampf hebt an. Kein
Bogen, kein Pfeil; mit Keule und Axt wird gekämpft. Endlich siegt
germanische Kraft über römische Gewandtheit. Viele Römer
stürzen sich in den hochflutenden Main, die anderen werden gefangen.
Auch Kaiser Caracalla muss sich ergeben und erhält nur gegen hohes
Lösegeld die Freiheit.
Die Römer nannten das Schlachtfeld, wo sie eine schwere Niederlage
erlitten hatten, "campus damnatus", d. h. verdammtes Feld. Dort
befindet sich ein Graben, der in den Main mündet und beim Volk noch
jetzt "Blutgraben" heißt. In diesen Graben soll bei der
Römerschlacht das Blut geflossen sein und das Mainwasser rot gefärbt
haben. Die Dammswiese und der angrenzende Forst sind bis zum heutigen
Tage den Umwohnern verrufen. Irrlichter und feurige Männer huschen
zur Mitternacht über die Ebene, und aus dem Walde klingt Waffenlärm
und Kriegsgeschrei wie ehemals, als die chattischen Krieger aus dem Dickicht
hervorbrachen.
Quelle: Spessart-Sagen,
Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 89f