Die mitternächtliche Totenmesse

Wie die Stotzenlena noch beim Hahnbauern diente, wollte sie einmal auf Tölz zu den Franziskanern ins Engelamt gehen und weckte den Buben, der mitgehen sollte. Da sie nun den Hohlweg herabtappen, sehen sie in der Ferne ein Licht, das immer näher auf sie zukommt. Endlich fährt ein Totenwagen mit einem Sarge herauf und die Seelnonne geht mit der Laterne hinten nach. Wie sie an die Stiegel bei der Freithofmauer gelangen, schlägt gerade die Kirchuhr und die hohen Fenster sind hell erleuchtet. "Die Kirche ist schon angegangen", sagen die zwei zueinander, und wie sie die Türe aufmachen, steht wirklich der Geistliche schon am Altar. Die Kirche ist voll schwarzer Leute und vor dem Chor ist der Katafalk aufgerichtet. Sie wissen nicht, wie sie daran sind. Da dreht sich ein Mann zu ihnen um und winkt ihnen mit aufgehobener Hand, fortzugehen, was sie sich nicht zweimal deuten lassen. Wie sie das Franziskanergäßl hinabrumpeln, meinen sie, kaum von der Stelle zu kommen und es ist ihnen, wie wenn sie im tiefsten Wasser waten müßten, und ist doch kein Faden an ihrem Gewand naß. Es war aber gerade Mitternacht, und als sie über die Brücke waren, klopften sie beim Maxlbeck an und blieben da bis in der Früh.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;