Das Geisteramt um Mitternacht

Vor mehr als 100 Jahren hat einmal die alte Luidlin in die Frühmesse zu den Franziskanern gehen wollen. Sie hat sich aber in der Zeit verschaut, und wie sie die Kirchentüre aufmacht, ist das Gotteshaus voller Leute, die schmale Hüte mit breiten Schauben aufgebunden haben und eine weiße Krause um den Hals hatten. Wie sie sich näher umschaut, bemerkt sie unter den vielen fremden auch etliche bekannte Gesichter, aber von Leuten, die man schon längst auf den Freithof getragen hat. Da kommt sie ein kaltes Grausen an und sie kehrt wieder um. Wie sie aus der Kirche hinausgeht, schlug auf dem Turm der Glockenhammer gerade die zwölfte Stunde.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;