Nußdorfer Hausgeister

Die Nußdorfer, wenigstens einige von ihnen, müssen es in alten Zeiten gut gehabt haben: Zwar halfen ihnen keine Heinzelmännchen, wie sie weiland zu Köln den Handwerksmeistern und -gesellen die Arbeit abgenommen haben sollen, so waren in Nußdorf doch allerlei andere dienstbare Geister den Bauern behilflich, so lange man sie entsprechend hegte und pflegte. Da waren Hausgrillen und Hausnattern, denen keiner etwas zuleide tun durfte, weil sie Böses von Haus und Hoffern hielten und den Menschen, die ihnen Unterschlupf gewährten, manches Glück zuschanzten. So waren die schwarzen Ringelnattern nicht nur gut, die Mäusebrut zu dezimieren. Auch Molche, Kröten und Frösche, die viel Ungeziefer vertilgten, waren gern gesehene Hausgenossen, und man gönnte ihnen gerne ihr bescheidenes Plätzchen in einer feuchten Kellerecke, und niemand erschrak, wenn sie dort im dunkeln herumtapsten. Wenn dieses Getier sich hilfreich betätigte, so geschah das sowieso nur nachts, wenn die Leute im Haus schliefen. Die Tierlein waren nämlich ziemlich scheu und wollten bei ihrem Tun und Treiben nicht von Menschen beobachtet werden. Gerne machten sie sich am offenen Herd oder am Ofen zu schaffen, wo sie etwa dafür sorgten, daß die Glut nicht ausging oder daß vorbereitete Mahlzeiten gargekocht waren, ehe die Magd oder die Bäuerin sich an die Arbeit machte. Dafür hat man diesen Hausgeistern auch in einer eigens dazu angelegten Vertiefung unter oder hinter dem Ofen Brot und Milch bereitgestellt, bevor man abends in die Schlafkammer ging. Manchmal kamen solche Glücksbringer auch in Gestalt von alten Männlein oder Weiblein herumhuschend auf den Hof, an die Haus- oder Stalltür, oft war es nur ein Schatten oder eine undefinierbare Gestalt, vor der man sehr wohl auch erschrecken konnte, wenn sie gerade durch die Küche schlurfte, wenn man in der Früh den Raum betrat und auf sowas nicht gefaßt war. Aber dann wußte man ja, daß diese Hausgenossen nichts Böses, sondern nur Gutes im Schilde führten, und mit dem ersten Hahnenschrei verschwanden sie sowieso. Damit sich die Hausgeister am Wochenende besonders wohl fühlen konnten, ließ man für sie in der Samstagsnacht in der Stube eine Kerze oder einen Kienspan brennen. Wurden diese hilfreichen Hausfreunde aber aus Unachtsamkeit oder aus Bosheit verscheucht, kamen sie nie mehr wieder.

Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 133