Das steinerne Brot

War einmal im Frankenland eine fromme Wittib, die hatte einen einzigen Sohn. Der Sohn war ein wilder trotziger Bursch, den die Arbeit wenig freute und das Beten gar verdross. Die große Frömmigkeit seiner Mutter war ihm zuwider. Er lachte und spottete ihrer und brüstete sich mit seinem Unglauben. "Von all dem Schwindel, den du glaubst, glaube ich kein Wort", sagte er ihr eines Abends, und "ehe ich nicht mit eigenen Augen ein Wunder sehe, bekehre ich mich bestimmt nicht! Morgen gehe ich auf Wanderschaft, ob ich bis dahin bekehrt bin." Die Mutter aber schwieg und weinte und betete für ihn.

Nun begab sich der Gesell ans Wandern und focht sich durch die Welt. Zunächst kehrte er an jeder Klosterpforte zu und heischte den Wanderpfennig. Nun begab es sich aber, dass er an jeder Klostertür nur ein Laiblein Brot empfing. So hatte er schon drei Laiblein in seinem Ranzen gesammelt, da pochte er an die Klosterpforte des Michelsbergs und sieh, ein viertes Brot ward ihm herausgereicht. Das war ihm zu dumm. Er ging und hielt das Brot in Händen und schimpfte wie ein Rohrspatz vor sich hin, dass er überall nur Brot und nie einen Pfennig zu Bier oder Wein bekäme. "Das Brot mag fressen, wer will", dachte er zornig bei sich und da er eben bis an die Gartenwand von St. Getreu gekommen war, warf er das Brot mit Gewalt gegen die Mauer. Das Brot platzte und krachte und fiel in harten, laut klingenden Stücken zu Boden. Entsetzt starrte der Bursch auf die Trümmer, denn das Brot war zu Stein geworden. Nun hatte er, was er stets gewünscht, ein Wunder, wovon die eigenen Augen ihn überzeugten, und er ging in sich und ward von Stund an ein braver Mensch.

Quelle: Andreas Haupt, Die schönsten Bamberger Sagen und Legenden, Bamberg 1877, neu herausgegeben von Gerhard Krischker 2002, S. 34 - 35.