Der Gang nach dem Kalkofen.

Sage von der Gertraudenkapelle zu Bamberg. - N. Haas Geschichte der Pfarrei St. Martin zu Bamberg S. 93. Vgl. Schillers Gang zum Eisenhammer.

Es war ein Edelknabe der Kaiserin, welchen man des sträflichen Umgangs mit ihr verdächtigt hatte. Diesen befahl der Kaiser im Kalkofen jenseits des Maines zu verbrennen. Also gab man den Arbeitern die Weisung, den Ersten, welcher kommen und fragen würde, ob des Kaisers Befehl vollzogen, ohne Weiteres zu ergreifen und in den Kalkofen zu werfen. Diesen Befehl bewirkte ein gottloser Kämmerling Kunigundens, indem er den unschuldigen Edelknaben beim Kaiser verläumdete. Als nun der Jüngling, das Gebot seines Herrn zu vollziehen, des Weges nach dem Kalkofen wandelte, kam er an der Kapelle der heiligen Gertraud vorüber, wo der Priester so eben das h. Meßopfer verrichtete. Da gedachte der Edelknabe frommen Sinnes, dem h. Opfer beizuwohnen und sodann seinen Gang nach dem Kalkofen fortzusetzen. Unterdessen war auch der Kämmerling herausgegangen, Nachfrage zu thun, ob des Kaisers Gebot vollzogen. Da ergriffen ihn die Knechte und warfen ihn in die Glut des Ofens. Gott hatte gerichtet. Der Kaiser erkannte seinen Irrthum und dankte Gott, daß er der Unschuld Zeugniß gegeben.

Quelle: Alexander Schöppner, Bayrische Sagen, Sagenbuch der Bayerischen Lande, Band 1, München 1852, Nr. 207