171. Verhexte Ochsenherde zu Wiederhofen.
Zur Zeit, als Wiederhofen noch nicht vereinödet war und aus einer
geschlossenen Ortschaft mit gemeinschaftlichem Wald- und Weidebezirk bestand,
hielt man dort eine große Herde Ochsen, die man den einen Tag sonnenhalb,
den andern schattenhalb auf die Weide trieb. Da begab es sich einmal im
Frühjahr beim erstmaligen Austreiben, daß man die Herde südlich
gegen die Talerhöhe und den Ochsenberg zu lenkte. Sobald aber das
Vieh auf die Anhöhe bei der Dreyersalpe kam und sich dem Käsermannsholz
näherte, streckten die Ochsen die Köpfe in die Höhe, und
dann stierte die ganze Herde, wie gebannt dastehend, in das Holz hinein,
als sähe sie hier etwas Ungerades, ohne daß jedoch der Hirt
etwas Absonderliches wahrnehmen konnte. Plötzlich fuhr die Schar
wie verwildert auf, machte Kehrt und sprang im wildesten Lauf den Bergabhang
herab und dem Dorfe zu, und obwohl nun die Leute, welche die Ochsen kommen
sahen, denselben entgegenliefen, um sie aufzuhalten, so war es doch nicht
möglich, sie zurückzutreiben, und sie rannten wild in ihre Ställe.
Am andern und die folgenden Tage ging es jedesmal wieder so, und war zuletzt
kein Zweifel mehr, daß da ein Hexenwerk oder ein Geist im Spiele
war. Damals wohnte aber im Schulhaus ein französischer Geistlicher,
den man nun zu Hilfe beizog, und der im Käsermannsholz benedizierte.
Allein dadurch zog er sich selbst die Wut des Hexen- und Teufelwerkes
zu, und in der Nacht fing es vor dem Schulhaus gar fürchterlich zu
poltern an; es schlug die Fensterläden wild auf und zu, tobte, stürmte
und rasselte so schrecklich, als sollte das ganze Haus zu Grunde gehen.
Am Morgen aber war nicht die mindeste Veränderung am Hause wahrzunehmen
und alles ruhig. Nun schickte man zum Pfarrer nach Missen, daß der
sich ins Mittel lege. Der ordnete an, man solle bei allen vier Ecken des
Schulhauses einen starken Pfahl in den Boden schlagen, oben ein Loch hineinbohren,
in dasselbe etwas Geweihtes, das er hiezu hergegeben, einschieben und
dann das Loch wieder mit einem Zapfen zumachen. Man machte es so, und
nun hörte aller nächtliche Spuk beim Haus auf, und auch die
Ochsen konnte man nun ruhig auf die Weide treiben, ohne je mehr die mindesten
Störungen oder Anstände zu erfahren.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 171, S. 180 - 182.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.