246. Wetterhexen.

1.

Von der Legfeiste im Rotlechtale gingen einmal vier Wilderer von Reutte, die dort gejagt hatten, heimwärts. Obwohl es schon spät im Herbst und der ganze Tag hell und heiter gewesen war, überraschte sie doch plötzlich ein fürchterliches Gewitter. Es tobte, blitzte und donnerte so heftig, daß einer von ihnen die Behauptung aufstellte, das könne nur ein (von Hexen) "gemachtes Wetter" sein, und da ihn die andern darob als abergläubisch auslachten und spöttisch fragten, woran er denn das so gut erkenne, sagte er, sie sollten einmal selber die Probe machen. Sie brauchten nur die Arme seitwärts gerade auszustrecken und so zu drehen, daß bald der Handrücken, bald die Handfläche nach oben gekehrt sei. Wenn dann die eine Seite vom Regen trocken bleibe, so sei das ein Zeichen, daß das Wetter kein natürliches sei. Da machten die drei es so, und siehe da, der Handrücken blieb wirklich trotz des starken Regens trocken und trotzdem, daß sie die Probe lange fortsetzten! Bald aber sollten sie davon, daß hier wirklich nur Hexen im Zeug waren, noch besser überzeugt werden. Als sie nämlich zum "Plättele" kamen, bemerkten sie, wie hinter einem großen Felsblocke Rauch aufstieg. Das fiel dem Wetterkundigen von ihnen gleich auf; denn er ahnte schon etwas, und er mahnte daher die anderen leise, ja kein Wörtchen mehr zu reden und vor allem keinen Fuß an einem Steine anzustoßen, während sie sich vorsichtig dem Blocke nähern wollten. Vielleicht könnten sie dann etwas Interessantes sehen und erleben. Sie schlichen still heran und erblickten nun bei dem Steine drei alte Weiber, die um ein großes Feuer herumtanzten und einen Reigen aufführten. Über dem Feuer aber befand sich ein voller Kessel, dessen Inhalt aufwallte und brodelte und Dämpfe aufsteigen ließ. Längere Zeit belauschten sie so die drei Hexen, die davon nichts merkten, bis endlich doch einer von den Wilderern, der eben seiner Lebtag ein Tapper und Spielverderber gewesen war, aus Unachtsamkeit mit dem Fuße an einen Stein stieß und ein Geräusch machte. Da verschwand wie mit einem Schlage alles, sowohl die Hexen als das Feuer und der Kessel, und von Brandspuren oder Kohlenüberresten war auch nicht im mindesten etwas zu bemerken.

2.

In Fischen lebte vor Zeiten ein altes Weible, die eine Hexe war und Wetter machen konnte. Der Himmel mochte noch so klar und hell sein, wenn die Alte hinaus in die Viehweide ging und dort an einem "Eldreboschen" (Erlenbusch) rüttelte, kam alsbald ein Gewitter, das dann gewöhnlich arg hauste und viel Schaden tat.

3.

In Unterjoch wohnte früher ein altes Weiblein, die hieß Annemei und ward für eine Hexe gehalten. Sie trug stets einen großen weißen Hut, in dessen "Kupfe" ein kleines Löchlein war, und wenn man sie im Sommer zur Heuerntezeit nach dem Wetter befragte, schaute sie bloß durch dieses Löchlein und konnte dann genau sagen, ob ein Gewitter entstehen, und wann es kommen werde. Oft hat man sie auch auf einem Besen reiten sehen, und darum meinten die Leute, sie sei es selbst, welche die Wetter zusammenbraue.


Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 246, S. 256f.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.