31. Trudd erlöst.
Die Trudden sind in einem gewissen Zeichen geboren, und dadurch ist es
ihnen "auferlegt", des Nachts Menschen oder Tiere zu drücken.
Sie vermögen sich ganz klein zu machen und können sogar zum
Schlüsselloch eindringen. Sie müssen so lange drücken gehen,
bis sie irgendein lebendes Wesen totgedrückt haben, was sie aber
aus freien Stücken nicht dürfen, sondern hiezu eigens vom Eigentümer
die Erlaubnis erhalten müssen. So hatte auch einmal ein Bauer in
der Pfrontner Gegend eine Magd, die "truddengehen" und daher
abends, wenn die andern Leute zu Bette gingen, fort zum Drücken mußte.
Sie klagte öfters den andern Dienstboten ihr Schicksal, daß
sie nachts keine Ruhe hätte. Dem Bauern fiel endlich das kummervolle
und abgehärmte Wesen der Magd auf, und als er sie darob zur Rede
stellte, gestand sie, daß sie alle Nacht "truddengehen"
müsse. Da sie sonst sehr brav und fleißig war, hatte der Bauer
Mitleid mit ihr und fragte, ob man sie denn davon nicht erlösen könne.
Jawohl, entgegnete die Magd, wenn man ihr nur erlaubte, etwas zu Tode
drücken zu dürfen. "Wenn dir damit geholfen ist,"
sprach der Bauer, "so darfst du mir gleich das schönste Roß
im Stalle erdrücken." Am andern Morgen lag wirklich das beste
Roß tot im Stalle. Die Magd aber dankte dem Bauern über alle
Maßen, daß sie nun von der Plage befreit und erlöst sei,
und bedauerte nur, daß er ihr das schönste Roß angewiesen
habe; es hätte genügt, wenn sie hätte mit seiner Erlaubnis
nur eine Katze oder eine Henne erdrücken dürfen.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 31, S. 36 - 37.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.