248. Hexe als Kalb.
In der Schöllanger Gegend hatte es ein Bauer im Stalle nie recht.
Die Kühe wollten keine Milch geben, so gut er ihnen auch zu fressen
gab, und ein Unglück kam ums andere. Da riet ihm ein Mann, dem er
seine Not klagte, er solle nur einmal um Mitternacht aufstehen und in
dem Stalle nachsehen. Da werde ein Kalb los sein und herumspringen, und
nun solle er sich's nicht gereuen lassen, dem Kalbe die beiden Ohren wegzuschneiden,
und dann wieder seines Weges weiter gehen. Als der Bauer des Nachts in
den Stall kam, fand er richtig sein Kalb unter dem übrigen Vieh frei
herumlaufend, und da tat er, wie ihm geraten worden, schnitt dem Kalb
mit dem Schnitzer die Ohren wurzab und ging darauf wieder ins Bett. Am
Morgen stand das Kalb ganz unverletzt wie sonst an seinem Platze. Dafür
aber saß ein altes Weib, dem die Ohren weggeschnitten waren, in
einem Winkel. "So, hast du jetzt deinen Treff!" rief der Bauer
und jagte die Alte zum Stalle hinaus, und seitdem war aller Hexerei abgeholfen
und der Bauer mit seinem Vieh wieder "steanig" (glücklich).
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers
"Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus"
ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 248,
S. 259.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.