104. Der Hans Hinterfür

trieb sich ehedem viel in der Gegend um Pfronten, Seeg und Füßen um, führte ein Räuberleben und war ein vollendeter Hexenmeister und Zauberer. Er konnte Wetter machen und verschuldete oft, daß es weit und breit alles "zusammenhagelte". Nur wenn man in Pfronten-Kappel das Glöcklein läutete, war seine Macht gebrochen und vermochte er keinen Hagel zustande zu bringen. Einmal erschien er in der Mühle zu Enzenstetten und verlangte Küchle, und als man ihm nicht zu Willen war, so rächte er sich dadurch, daß er den Mühlbach, der bis dahin reichlich floß, "verfällte", also daß das Wasser sich im Boden einen tiefen Weg suchte und die Mühle in großen Wassermangel geriet. Wegen seiner vielen Untaten fahndete man oft nach ihm; allein er wußte sich durch seine Zaubereien immer wieder zu helfen. Einmal war es aber dem "Schergen" doch gelungen, seiner habhaft zu werden und ihn gefangen nach Füßen zu führen. Wie aber beide im Gerichtsgebäude durch die Stiege hinauf wollten, fing Hans Hinterfür plötzlich über fürchterliche Fußschmerzen zu klagen an; es sei ihm unmöglich eine Treppe zu steigen, der Scherge möchte doch so gut sein und ihm die Stiefel ausziehen. Wie nun dieser sich daran machte und fest anzog, riß plötzlich der Fuß mit samt dem Stiefel aus und trennte sich blutend vom Rumpfe, und der Verstümmelte fing an zu jammern und zu stöhnen, und sagte, er solle doch schnell sich um Hilfe umsehen. Zu Tode erschrocken lief der Gerichtsmann, so schnell er konnte, jemand zu holen.

Unterdessen aber nahm der Gauner den ausgerissenen Fuß, heilte ihn augenblicklich an und war, bis Leute kamen, schon längst verschwunden.

Als man ihn zuletzt doch einmal in den Gefängnisturm einsperren konnte, geschah es, daß am Morgen dem gottlosen Menschen vom Teufel der Kopf umgedreht war, so daß das Gesicht nach hinten sah. Deshalb habe man ihn dann den Hans Hinterfür geheißen.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 104, S. 113 - 114.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.