170. Das Venedigermännle in Häselgehr.

Nach Häselgehr kam in alten Zeiten öfters ein Venediger-Männle und blieb dann gewöhnlich beim alten Kronenwirt über Nacht. Es trug ein kleines Säckchen bei sich und besaß einen "venedischen Spiegel" und einen "Erdspiegel". Diese zeigten ihm alle Orte an, wo in den dortigen Bergen unterirdische Schätze ruhten, und es nahm auch jedesmal davon reichlich mit. Als es wieder einmal "zugekehrt hatte" und seine Zeche bezahlen wollte, griff es anstatt in den Geldbeutel in das Säckchen, nahm eine Hand voll Erde heraus und legte sie dem Wirte an Geldes statt auf den Tisch. "He, guter Freund!" sprach dieser, "man bezahlt bei mir nicht mit Erde!" Da bedeutete ihm aber das Männle, er solle sich doch dies Häufchen einmal näher ansehen, und siehe da, es war purer Goldstaub! Nun begehrte der Wirt nicht mehr, strich vielmehr mäuschenstill den Goldstaub vom Tisch und war mehr als zufrieden.

Das Männle ist aber später auf einmal ausgeblieben und nie mehr gekommen.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 170, S. 180.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.