271. Das Marienbild in Frauenzell.

Als in ältesten Zeiten da, wo jetzt das Dorf Frauenzell liegt, noch Wald und Viehweideboden war, geschah es einmal, daß ein Stier auf dem nämlichen Platze, auf dem jetzt der Hochaltar der Kirche steht, mit den Hörnern im Boden wühlte und sich nicht davon abtreiben ließ, bis er ein Muttergottesbild zu Tage förderte. Der Hirt vermeldete dieses zu Hause, worauf man das Bild in die "Mutterkirche" nach Hinznang, wohin damals noch die Frauenzeller Gegend eingepfarrt war, verbrachte und dort aufstellte. Allein das Bild wollte hier nicht bleiben; man hörte des Nachts jedesmal in den Lüften gar lieblichen Gesang dahinziehen, und am Morgen fand man dann dasselbe an der Stelle, wo der Stier es ausgewühlt hatte. Nun gedachte man, für das Bild ein eigenes Kirchlein zu erbauen und zwar auf Buch, um es dort zur Andacht auszustellen. Da zeigte sich aber das Wunder, daß das, was man am Tage gebaut hatte, über Nacht an der ursprünglichen Fundstätte des Bildes stand, was man als eine höhere Deutung ansah und den Bau nun hier beließ und vollendete. Um das Kirchlein herum siedelten sich dann Leute an, und es entstand das Dorf Frauenzell.


Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 271, S. 281f.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.