176. Diebsbann.

1.

Einem Manne in Grünau, einem Weiler bei Elbigenalp, wurden Kuhhäute gestohlen. Da derselbe aber mancherlei Bann und Zauber verstand und mit der Doktorei sich abgab, so nahm er ein Buch her und einen Haspel und drehte diesen einige Zeit um. Bald darauf sprang der Dieb mit den Häuten auf dem Rücken daher. Der Dieb mußte um so schneller laufen, je geschwinder der Zauberer den Haspel drehte, und dieser drehte aus Leibeskräften, daß es heftig schnurrte, so daß dem Diebe Hören und Sehen verging und er endlich atemlos und keuchend jenem die Häute vor die Füße warf, indem er ausrief:

Daß dich der Teufel reite!
Da liegen deine Häute!

Hat aber niemals wieder Häute gestohlen.

2.

Ein Bauer in Bruck bei Hindelang hatte einmal in der Nähe der Hornkapelle am Eingange in das Retterschwanger Tal Bretter gestohlen und damit sein Haus ausgebessert, indem er sie an den "Schirm" (die Hinterseite des Hauses) nagelte. Als aber der geschädigte Eigentümer, der das Zaubern verstand, den Bretterabgang merkte, brachte er einen Haspel an den Ort und trieb diesen schnell um. Von dem Augenblick an ließ es den Dieb in Bruck nimmer ruhig, und eine geheime Zaubergewalt trieb ihn unwiderstehlich an, die am Hause festgenagelten Bretter gewaltsam wegzureißen und damit hastig den Berg hinauf und der Hornkapelle zuzueilen. Dabei mußte er so arg laufen und so schleppen und sich abhetzen, daß ihm der Schweiß von allen Seiten herabrann und er fast nicht mehr Atem fand, bis er sich der Bretter an dem Orte, wo er sie gestohlen hatte, vor den Augen des Eigentümers entledigen konnte. Beschämt schlich er hierauf wieder nach Hause und ließ sich das Vorgefallene stets zur Lehre sein.

3.

Vor vielen Jahren wurden einmal in einem Hause in Höfen am Lech verschiedene Gegenstände gestohlen. Als das der Bauer einem alten Männle, das zufällig durch die Gegend gekommen war, erzählte und klagte, beruhigte ihn dieses und sagte, es werde ihm bald wieder zu seiner Sach verholfen haben. Zu diesem Zwecke ging es in die Küche, hieß ein Feuer anmachen und eine Pfanne überstellen, und dann warf es in diese etwas aus einem Schächtelchen hinein, und das rührte es nun mit einem "Rührer" in der Pfanne um. Es war das ein Mittel, daß das Gestohlene wiedergebracht werden mußte, und je schneller er umrührte in der Pfanne, desto schneller mußte der Dieb laufen. Es dauerte richtig gar nicht lange, so kam schon ein Weib mit einem schweren Trag entwendeter Sachen und flehte inständig das Männchen, es solle doch nicht so stark "feuern" und so schnell "rühren", sie halte es nicht aus; sie habe nicht alles auf einen Trag erschleppen können und wolle den Rest gerne freiwillig bringen, wenn nur das Rühren ein Ende nehme.

Am andern Morgen fand man dann richtig das übrige im Ofenloch.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 176, S. 184 - 186.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.