270. Christus und Petrus auf der Wanderschaft.

1.

Christus und Petrus hatten sich einmal auf ihrer Wanderschaft verirrt und wußten nicht mehr Weg noch Steg. Da sahen sie einen Bauernburschen in der Nähe im Grase liegen, und den wollten sie fragen. Petrus ging hin zu ihm, gab ihm freundlich den Gruß und fragte ihn, wo denn der Weg weiter ginge. Der aber lag stracklings da, rührte sich kaum, ja er gab dem Petrus aus Faulheit nicht einmal eine ordentliche Antwort, sondern schlenzte nur mit dem Fuß so ungefähr nach der Richtung zu, wo der Weg weiterführte. Ob solchen Gebahrens ward nun Petrus nicht wenig erzürnt; aber der Herr besänftigte ihn, und sie gingen weiter. Da sahen sie bald wieder jemand; das war eine junge Föl, die im Felde arbeitete, und wie nun Petrus hinkam und fragte, wo der rechte Weg weiterführe, legte sie sogleich den Werkzeug hin, erklärte und explizierte ihm alles gar freundlich und genau und begleitete dann erst noch die beiden eine gute Strecke, bis sie gar nicht mehr fehlen konnten. Darob sehr erfreut sagte nun Petrus: "Herr, was für einen Lohn hat dieses Mädel wohl verdient im Vergleich zu dem unguten Bengel vorhin?" Da antwortete Christus: "Gebt ihm den Bengel nur zum Manne!" Und als Petrus dies nicht für ernst gemeint hielt, setzte ihm das der Herr auseinander und sprach: "So muß es immer gehen; der Bessere muß den Minderen mit sich fortziehen und zum Guten führen, und eins muß das andere ergänzen."

2.

Auf ihrer Reise blieben Christus und Petrus einmal in einem Bauernhause übernacht, wo man ihnen ein großes "zweischläfiges" Bett zur gemeinschaftlichen Lagerstätte anwies. Da nun gerade Dreschzeit war und der Bauer Mangel an Leuten hatte, wollte er die beiden auch zum Dreschen anhalten und weckte sie zu diesem Zwecke des Morgens beizeiten. Allein beide hatten noch arg Schlaf in den Augen und überhaupt zum Dreschen keine Lust, und darum blieben sie liegen. Da wurde der Bauer wild, schalt ihre Faulheit und gab zuletzt gar noch dem hinten in der Bettstatt Liegenden "Schmitz" (Hieb, Schlag).

Der aber war Petrus. - Nach einer Weile, nachdem der Bauer wieder fortgegangen war, stellte sich Petrus, als müßte er auf ein bißchen hinaus, und kletterte über den vorneliegenden Herrn hinweg, wobei er denselben unversehens aufweckte. Als er das Bett wieder aufsuchte, entschuldigte er sich beim Herrn, daß er gestört habe, und da er dem Bauern nicht recht traute und dahinten abermaligen Schmitzen auskommen wollte, fragte er schelmisch, ob er nicht gleich vornhin liegen dürfe; es sei ja ohnehin gleich Morgen und Aufstehenszeit. Gut, der Herr war einverstanden, und Petrus legte sich vorn hin.

Es dauerte gar nicht lange, so erschien der Bauer abermals, um die beiden herauszutreiben, und weil es vorhin beim Hinteren nichts geholfen hatte, "schmitzte" er diesmal dem vorderen, und so war Petrus noch einmal d'ran gekommen.

3.

Unser Herr kam einst mit Sankt Peter durch einen großen Wald, und da verirrten sie sich und fanden lange nicht mehr weiter. Endlich trafen sie Holzer. Diese aber waren boshaft und zeigten ihnen einen ganz falschen Weg, so daß sie alsbald ins ärgste Gestrüpp kamen und merkten, daß sie von den Holzern nur gefoppt worden waren. Da ward Petrus gar zornig und bat den Herrn, er möchte ihnen doch eiserne Nägel ins Holz wachsen lassen, daß ihnen fürderhin das Leutfoppen vergehen würde. Der Herr aber sprach: "Nägel sollen sie ins Holz bekommen, aber keine eisernen, sondern nur hölzerne, denn schon diese werden ihnen genug zu schaffen machen."

Seitdem gehen die Äste an den Bäumen bis tief ins Innerste des Stammes hinein und verursachen den Holzmachern und Zimmerleuten oft so große Mühen.

4.

Auf ihrer Wanderschaft, um der Menschen Leben und Treiben zu beobachten, wurden Christus und Petrus einmal schlecht aufgenommen und behandelt. Beim Weggehen von dem Dorfe sprach Petrus: "Herr, du hast den Leuten doch schon soviel Gutes und soviel Gnaden erwiesen, und sie vergelten es dir mit soviel Undank! Schick ihnen doch einmal eine ordentliche Plage zur Strafe, daß sie mildherziger und besser werden!" Sprach der Herr: "Petrus, die Leute brauchen keine eigene Plage zugeschickt; sie plagen sich einander schon selbst genug, wie du überall sehen kannst."

5.

Daß Sankt Peter auf seinem Haupte eine großmächtige Glatze, vorn über der Stirne aber einen Schüppel Haare hat, weiß jedermann; aber die meisten wissen nicht, daß dies von folgender Geschichte herrührte. Auf der Wanderschaft mit Christus gelangten die beiden einmal an einem Bauernhause vorbei, wo die Bäuerin gerade große Hefkücheln im Schmalz backte. Da begab sich Sankt Peter ins Haus hinein und bettelte um Kücheln, indes der Herr heraußen wartete. Die Bäuerin war ein mildherziges Weib, und so gab sie dem Petrus frisch von der Pfanne weg drei der Kücheln. Dieser indes war ein Vokativ (Schalk) und um bei der Teilung im Vorteil zu sein, verbarg er eines der Kücheln schnell in seine Kappe und setzte diese dann auf, während er sich stellte, als habe er nur zwei bekommen, wovon er dann eines dem Herrn darreichte. Das Küchlein unter der Kappe war aber noch heiß, und so fing es an, den Petrus gewaltig auf den Schopf zu brennen, und doch durfte er nicht dergleichen tun und mußte den Schmerz aushalten. Als er später aber die Kappe abnahm, zeigte es sich, daß das heiße Küchlein ihm die gewaltige "Platte" gebrannt hatte, die ihm zeitlebens verblieb. Nur der Haarbüschel, der vorn unter der Kappe hervorgeragt hatte, war verschont geblieben, und so kommt es, daß das Haupt Sankt Peters die Platte mit dem Haarschüppel vorn dran aufweist.



Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 270, S. 278ff.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.