184. Bühler und Niedersonthofener See.

1.

Die Alten wollten immer haben, der Bühlersee (Alpsee) hänge mit dem Niedersonthofenersee unterirdisch zusammen. Einmal habe ein Bauer in der Nähe des Alpsees Mist ausgefahren, und nun bemerkte er auf einmal einen enzialisch großen Fisch hart am Ufer, der gewaltig "patschte", als könnte er nicht mehr recht fort. Da schlich sich der Bauer mit dem Misthaken still und vorsichtig hin und hieb denselben plötzlich mit aller Gewalt in den Rücken des Fisches, um diesen herauszuziehen. Allein der Fisch war stärker als der Mann und entkam mitsamt dem Misthaken, den er im Rücken stecken hatte. Merkwürdigerweise hat man einige Zeit darauf den nämlichen Fisch im Niedersonthofenersee gesehen, und zwar noch immer mit dem Misthaken im Rücken.

Die beiden Seen müssen also doch wohl zusammenhängen.

2.

Beim hintern Alpsee geht ein Loch in die Tiefe, das nennt man das "Hexenloch". Es ist "unergründlich", denn man hat es schon einmal ausfüllen wollen und Hunderte von Klaftern Steine hinunterversenkt, aber alles umsonst. Von dem Loch soll ein unterirdischer Kanal ausgehen und bis zum Niedersonthofenersee führen, so daß dadurch beide Seen zusammenhängen. Einmal geschah es, daß bei Nacht und Nebel ein Fuhrmann mitsamt den zwei Rossen und dem Wagen in das Hexenloch geriet und hier versank. Im Niedersonthofenersee wurde dann das ganze Gefährte wieder angeschwemmt, und der Fuhrmann saß sogar noch unverletzt, aber tot auf dem Sitzbrettchen des Wagens.

3.

Über die Entstehung dieses Hexenloches wird folgendes erzählt:

"Bei Trieblings war eine tiefe Wiese. Ein Mädchen holte aus der Stadt für seine Mutter Brot. Auf dem Rückweg kam das Mädchen an eine Pfütze, und da es geputzt war und auch neue Schuhe anhatte, wollte es die tiefe Wiese nicht umgehen, sondern legte die Brote in den Sumpf und trat darauf, um trockenen Fußes hinüberzukommen. Doch die Brote wichen unter seinen Füßen, und es versank vor den Augen der Leute, die zu seiner Rettung herbeieilten. Dem Mädchen blieb nur noch soviel Zeit, alle vor dem Hochmute und vor der Verachtung des lieben Brotes zu warnen. Der Ort aber wurde von dem Volke das ,Hexenloch' genannt."

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 184, S. 191 - 192.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.