112. Der Bannkünstler von Wiederhofen.

In Wiederhofen bei Missen lebte früher ein Müller, namens Milz, der war ein wahrer Hexenkünstler und verstand sich voraus gut auf das Bannen. Als er einmal von Immenstadt heimkehrte, traf er im "langen Holz" eine Bande Zigeuner, die er über alles nicht leiden konnte. Er näherte sich ihnen und sprach einige Zaubergebete, und sofort waren alle von der ganzen Bande der Sprache beraubt und vermochte keiner mehr eine Silbe hervorzubringen.

Als er an einem Karfreitag einmal, während seine Leute beim vormittägigen Gottesdienste in Missen waren, allein beim "Gämmen" (Haushüten) zu Hause war, drangen einige Diebe, gar starke und wilde Kerle, ein und forderten all sein Geld oder sein Leben. Der alte Milz geriet aber darob nicht im geringsten in Angst oder Furcht, stellte sich vielmehr ganz willfährig und sagte, ja, dann müsse er ihnen halt sein Geld holen, soviel er habe. Richtig geht er hinaus ins Gade und bringt nach einiger Zeit all seine Barschaft in einem Säcklein herein, leert sie auf dem Tische aus, sortiert die Münzen alle in Häufchen und zählt ihnen dann vor. Wie nun die Diebe aber das Geld nehmen wollten, konnte keiner mehr ein Glied rühren, und so mußten sie alle festgebannt dasitzen, bis die Leute von der Kirche heimkamen. Nachdem sie nun mit Knitteln "ordinanzmäßig durchgebritscht und abgeschmierbt" worden waren, löste der Bannkünstler den Bann und trieb sie weiter, wobei er sie erst noch durch die "Mistlache" jagte. Von da an hat kein Dieb mehr vom Milz Geld verlangt.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 112, S. 121.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.