DER FISCHERKNABE

Ein mächtiger Kaiser hatte nur einen Sohn, dem versprach er einst, wenn er werde herangewachsen sein, alles zu geben, wonach er verlangen werde. Der Kaiser hatte aber in seinem Reich unter anderm eine grosse, überaus schöne Wiese. Als nun der Knabe in's Jünglingsalter trat, bat er sich vom Vater diese aus. Und der Vater gab sie ihm. Der Kaisersohn aber liess auf die Wiese eine Stadt bauen und zog in dieselbe allerlei Volks: Ackerbauer, Jäger und Handwerker aller Art. Ein Haus aber blieb unbesetzt, und der Kaisersohn wusste nicht, wem er es übergebe, bis er endlich inne wurde, dass er noch keinen Fischer in der Stadt habe. Da schickte er seine Diener aus, einen Fischer zu suchen. Und sie fanden einen und brachten ihn mit sich vor den Kaisersohn. Der versprach ihm das Haus, wenn er sich verpflichten wolle, für ihn Fische zu fangen, wie er sie wünschen werde. Der Fischer sagte zu und bezog das schöne Haus. Es traf sich aber, dass der junge Kaiser eine Frau nahm, die sehr bald in gesegnete Umstände kam und nach grünen Fischlein glühendes Verlangen trug. Da liess der Kaiser den Fischer vor sich rufen und trug ihm auf, für die Kaiserin grüne Fische zu fangen. Der ging sogleich daran, fischte viele Tage und Nächte lang, bekam aber keinen grünen Fisch zu Gesicht. Eines Tages, als er wieder fischte, kam der Teufel zu ihm und sprach: "Wenn du mir aus deiner Herberge zu geben versprichst das, von dessen Dasein du selber nichts weisst, so sollst du grüne Fische haben, so viel du deren magst." Der Fischer ahnte nichts Arges und versprach was der Teufel verlangte. Darauf warf er das Netz aus und sofort füllte es sich mit grünen Fischen. Wie nun der Fischer nach Hause kam und seiner Frau erzählte, wie er zu den grünen Fischen gekommen, brach sie in heftiges Weinen aus und rief: "Du hast dein eigen Kind im Mutterleib dem Teufel versprochen !" Bald darauf gebar die Kaiserin einen Knaben, und um dieselbe Stunde auch die Fischerm. Der Kaiser aber nahm den Fischerknaben zu sich und liess ihn mit dem jungen Prinzen erziehen. Nur von Zeit zu Zeit kam der Fischerknabe in seiner Eltern Haus. So oft ihn aber Vater und Mutter sahen, weinten sie. Eines Tages, als sie wieder weinten, drang der Knabe so heftig in sie, ihm die Ursache ihres Kummers anzugeben, dass die Mutter sich nicht mehr halten konnte, und in die Worte ausbrach: "Dein Vater hat dich dem Teufel versprochen, noch ehe du geboren warst." Der Knabe erschrak zwar heftig, tröstete aber doch die Eltern, so gut er's konnte, indem, er die eigene Angst verbarg. Kaum aber war er in das Schloss zurückgekehrt, so lief er zu seinem Lehrer, teilte ihm alles mit und fragte, wie er sich wohl aus der Gewalt des Teufels befreien könnte. Der Lehrer schenkte ihm ein Büchlein und sprach: "Wenn dich dein Vater übergeben wird, so stelle dich hin und bete fleissig aus dem Büchlein, und so lange du betest, hat der Teufel keine Gewalt über dich; des kannst du gewiss sein." Als nun die Zeit kam, dass der Knabe dem Teufel ausgeliefert werden sollte, steckte er das Büchlein zu sich und folgte seinem Vater. Der führte ihn in einen grossen Wald, wo der Teufel wohnte mit seinen Dienern. Der bot ihm alle seine Schätze, wenn er das Büchlein von sich werfe. Aber der Knabe achtete seiner Worte nicht und betete fort und fort. Zuletzt aber ward er doch müde und legte das Buch fort; und sogleich fasste ihn der Teufel und schleppte ihn mit sich fort. In demselben Augenblick öffnete der Knabe das Buch, und sofort liess ihn der Teufel wieder los und machte sich davon. Der Knabe suchte sich aus dem Wald herauszufinden, geriet aber immer tiefer hinein und irrte mehrere Jahre umher. Mittlerweile war er ein Jüngling geworden. Eines Abends kam er an eine tiefe Schlucht. Daraus stieg eine Ziege hervor mit prächtigen Hörnern und glatter Wolle, redete ihn an und erzählte ihm, dass sie eine verzauberte Kaisertochter sei, und wer sie erlöse, werde das Reich ihres Vaters erben. "Du allein," fuhr sie fort, "bist imstande mich zu erlösen; folge mir in meines Vaters Stadt, es soll dich nicht gereuen." Der Jüngling tat's. Die Stadt aber wurde von neun Teufeln beherrscht, welche in des Kaisers Schloss wohnten. Als diese des Jünglings ansichtig wurden, fragten sie ihn: "Was suchst du hier?" und wollten ihn packen. Er aber gab ihnen keine Antwort, sondern öffnete sein Buch und betete ohne Unterlass die ganze Nacht hindurch. Am Morgen kam die verzauberte Prinzessin, die nun nicht mehr einen Ziegen- sondern einen Menschenkopf hatte, und sprach: "Ich danke dir, dass du in dieser Nacht die Teufel bekämpftest, tue es noch zwei Nächte hindurch, dann bin ich erlöst und das Kaiserreich ist dein Eigentum." Und der Jüngling betete fort und fort auch die zweite Nacht hindurch und gab den Teufeln keine Antwort. Da kam die Prinzessin, an Kopf und Brust Mensch geworden, und sprach: "Wenn du noch diese Nacht hindurch betest, so bin ich ganz entzaubert, und du wirst herrschen über das Reich meines Vaters." Der Jüngling tat's. Und wie die Nacht um war, wichen die Teufel. Da kam die Prinzessin, ganz Mensch geworden, dankte und reichte ihm Wasser in einem goldenen Becher, davon er trank und sich wusch. Und nach und nach ward die verzauberte Stadt lebendig, und die Prinzessin zeigte ihm alle ihre Schätze und die Stadt und das ganze Kaiserreich und schenkte ihm alles. Er aber wollte es nicht annehmen, wenn sie nicht obendrein seine Frau werden wolle. Da sie mit Vergnügen einwilligte, war er überaus glücklich und herrschte weise und verständig über das grosse Reich.


Quelle: Rumänische Märchen und Sagen aus Siebenbürgen, gesammelt und ins Deutsche übertragen von Franz Obert, Hermannstadt 1925, Nr. 14, Seite 26